Von EG zu EU

Es ist Ende Oktober 1993, wir stehen im ORF-Büro Brüssel und ich bin mir unsicher: „Du Günter, wie ist das jetzt eigentlich: Müssen wir jetzt EU statt EG sagen?“ Günter Schmidt, Leiter des ORF-Büros in Brüssel, ein Mann mit Elefantengedächtnis, schneller Auffassungsgabe und subtilem Humor, macht etwas für ihn sehr Ungewöhnliches: Er stutzt.

Gedanken für den Tag 14.6.2019 zum Nachhören (bis 13.6.2020):

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Über Vieles hat man sich Gedanken gemacht, darüber nicht wirklich. Fest steht, der sogenannte Vertrag von Maastricht tritt am 1. November in Kraft. Sprich: Die EG, die Europäische Gemeinschaft, wird damit umfassender zuständig. Auch für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres. Das Ziel einer Währungsunion ab 1999 wird festgelegt.

Waltraud Langer
ist Chefredakteurin der ORF TV-Magazine

„In Vielfalt geeint“

Aber bedeutet das auch die Umbenennung der EG im Alltagsgebrauch? Es herrscht Verwirrung. Die Vertreterin der Austria Presseagentur schreibt noch am 31. Oktober von einem drohenden Streit: Muss das gesamte Einigungswerk auf „Europäische Union“ umgetauft werden? Dagegen ist, viele Jahre vor dem Brexit, der britische Premier John Major: Für ihn werde es auch in Zukunft nur die – unverbindlichere - Europäische Gemeinschaft geben. Der damalige Ratsvorsitzende, der belgische Außenminister Willy Claes, entscheidet es dann einfach. Er schlägt beim Treffen der EG-Außenminister „Europäische Union“ als einzigen und einheitlichen Namen vor. Und so ist es dann auch.

Gewöhnungsbedürftig ist die Umstellung jedenfalls, noch am 20. November finden sich im ORF-Archiv „EG“ und „EU“ gleichzeitig – in einer Sendung. Seit damals, Ende 1993, ist aber jedenfalls aus einer Gemeinschaft eine Union mit deutlich mehr politischen Zuständigkeiten geworden.

Erst viel später, im Jahr 2000, gibt sich die EU übrigens auch einen Leitspruch: „In Vielfalt geeint“, heißt er. Es lohnt sich, kurz über diese drei Wörter nachzudenken. „In Vielfalt geeint“, das steht dafür, dass von Portugal bis Finnland und von Irland bis Zypern, – all die Kulturen und Sprachen der EU-Staaten, nicht als Belastung, sondern als Bereicherung im gemeinsamen Europa gesehen werden.

Musik:

Johannes Mössinger/Piano, Peter Streicher/El-Bass und Matthias Daneck/Drums: „Session with Joy“ von Johannes Mössinger
Basierend auf der „Ode an die Freude“, 4. Satz aus der Symphonie Nr. 9 von L. v. Beethoven
Label: Waterpipe Records / Europarat 997432