Vom Eintauchen in andere Lebenswelten

Diese Woche feiert die katholische Kirche Fronleichnam. Der Name bedeutet Herrenleib. Katholikinnen und Katholiken feiern das Geschenk der Einsetzung des Altarsakramentes. Im Zentrum steht der Glaube an die substanzielle Präsenz Jesu in Brot und Wein in der Eucharistie. Sinnlichkeit, visuelle Erfahrbarkeit und Freude prägen dieses Fest.

Gedanken für den Tag 17.6.2019 zum Nachhören (bis 16.6.2020):

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Fronleichnam ist aus der mittelalterlichen Mystik erwachsen. Das beginnende 13. Jahrhundert ist eine mir fremde Welt. Eine Welt der selbstgewählten extremen Askese, des exzessiven persönlichen Gebetes und eine Welt der Visionen und der Mystiker. Juliane von Lüttich erlebte in ihren Gebeten die Vision, dass dieses Fest fehle, es aber gebraucht werde. In den nunmehr 773 Jahren dieses Festes entstanden sehr unterschiedliche Facetten und noch viel mehr Ausdeutungen.

Elena Holzhausen
ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien

Konstruktive Dialoge

Fronleichnam kann als das Fest der habsburgischen Frömmigkeit und des Brauchtums, als das Fest des Priestertums oder aber als das Fest einer Sichtbarmachung von Glaube und Macht gelesen werden. Für mich liegt in der Beschäftigung mit Fronleichnam die Chance, mich diesen unterschiedlichen Deutungen auszusetzen und sie auch auszuhalten.

Deutungen sind spannend, denn hinter ihnen stehen immer Menschen in konkreten Lebenssituationen. Aus diesen heraus verdichten sich unbeantwortete Fragen und nicht selten auch Ängste. Es sind sehr unterschiedliche Lebenswirklichkeiten, in die ich eintauche. So in die Tiefe eines kontemplativen Gebetes, aber auch in den Willen anderer, den eignen Glauben sichtbar zu machen. Es gab aber auch Menschen, die das Fest nutzten, um andere Menschen im Namen Gottes aufzuhetzen.

Ich tauche auch ein in die spielerische Freude am zweckfreien Tun. Ich darf vorurteilsfrei staunen, bin aber auch gefordert, zu versuchen das Entdeckte zu begreifen. Im Begreifen muss ich mich unweigerlich auch mit meinen eigenen Zweifeln konfrontieren. Nur so kann ich in Tiefe begreifen und dann eine Position für mich finden. Pauschalisierendes Annehmen oder Ablehnen hilft mir nicht weiter: weder bei dem Versuch Fronleichnam zu verstehen, noch bei der Beurteilung anderer in meinem Alltagsleben und auch nicht in der Politik.

Wenn ich es schaffe, mich darauf einzulassen, finde ich die Kraft, die Empathie und auch die Argumente meiner Position so zu vertreten, dass im Dialog Konstruktives daraus wachsen kann.

Musik:

Montserrat Figueras/Sopran, Maria Cristina Kiehr/Sopran, Kai Wessel/Countertenor und Michael Behringer/Orgel: „Les voix: Veni sanctu spirito“ aus: JEANNE LA PUCELLE / Original Filmmusik von Guillaume Dufay
Label: Travelling Auvidis / Extraplatte K 1006