Platz für Sinnlichkeit und Weite

Fronleichnam ist ein Fest der katholischen Kirche, dem sehr unterschiedliche Deutungen eingeschrieben sind. Für mich sind nicht alle Deutungen leicht anzunehmen.

Gedanken für den Tag 19.6.2019 zum Nachhören (bis 18.6.2020):

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Besonders unbehaglich fühle ich mich, wenn ich auf die Zeiten schaue, in denen dieses Fest eine sichtbare Manifestation von Machtmissbrauch war. Mir ist am liebsten eine Erinnerung meiner Kindheit: Zu Fronleichnam war es immer sonnig – so zumindest in meiner Erinnerung. Wenn ich von Sommer spreche, meine ich nicht das Datum im Kalender, sondern das Gefühl im Bauch, das Licht und auch die Leichtigkeit, mit der ich mit meinen Geschwistern durch die Natur zog, außerhalb der Kontrolle der Eltern und völlig angstfrei.

Elena Holzhausen
ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien

Weite des Herzens

Fronleichnam war das Fest dieser Zeit. Man zog betend gemeinsam durch die Felder unseres Dorfes. Ich hatte ganz viel Zeit, am Wegrand die Blumen zu betrachten und auch zu identifizieren. Die Form und Funktion der Kletten faszinierte mich. So wurde eher zufällig während der Prozession mein kindlicher Forschergeist angespornt. Auch dafür war Platz während des Gehens mit Jesus. Prägend war die Erfahrung, dass meine Religion sinnlich sein durfte, dass sie farbenfroh war und dass ich die Größe meines Gottes erfahren durfte und dass ich mir diese Weite erhalten konnte.

Denn aus einer Weite des Herzens heraus bin ich in der Lage, die dunklen Kapitel meiner Religionsgeschichte anzuschauen. Sie zu akzeptieren, ohne mein Gottesbild in den Schrecken über die vielen Scheiterhaufen der Ungerechtigkeiten zu verbrennen. Dafür bin ich dankbar. Heute weiß ich: Ich werde mich immer dafür einsetzen, dass Religion so viel Freiraum bietet, dass eine spirituelle Selbstbestimmung ohne Überformung wachsen kann. In diesem Wachsen kann Zuneigung und Verständnis für andere Menschen entstehen, die, nach meiner Auffassung, alle Menschen brauchen.

Musik:

Elzbieta Towarnicka, Jacek Ostaszewski, Great Orchestra of Katowice & Philharmonic Choir of Silesia, conducted by Antoni Wit: „Van den Budenmayer – Concerto en mi mineur (SBI 152) Version de 1802“ aus: La double vie de Veronique / Original Filmmusik von Zbigniew Preisner
Label: 1991 Sideral LC3098