Platz für innere Bilder

Mit Prozessionen im Freien feierte die katholische Kirche gestern Fronleichnam. Ein buntes Fest mit Fahnen, Musik und geschmückten Altären.

Gedanken für den Tag 21.6.2019 zum Nachhören (bis 20.6.2020):

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Diese Tradition ist prägend für die kollektive Vorstellung von diesem Fest: Ein Fest des Schauens, ein Fest der Bildlichkeit. Durch die Nutzung des öffentlichen Raums konnten aber auch politische Intentionen mit jenen der Religion unheilvoll verschränkt werden. Auch der Aberglauben nährte sich aus diesem Fest. Deshalb lehnte es die Reformation und auch die Aufklärung ab. Es gibt aber auch ganz andere Formen der Visualisierung von Fronleichnam.

Elena Holzhausen
ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien

Fruchtbringender Dialog

Die 1930 von Rudolf Schwarz errichtete Pfarrkirche St. Fronleichnam in Aachen ist eine davon. Heute ist dieser Bau eine Ikone der Architekturgeschichte. Damals war er nur revolutionär. Denn er war bildlos, schmucklos und völlig ungewohnt. Die Kirchenleitung in Köln ließ sich nur mühsam von diesem Projekt überzeugen und wählte den sperrigen Namen. Denn dieser Bau sollte ein Ort der Eucharistischen Frömmigkeit werden. Der Gegensatz zwischen dem Fest und der St. Fronleichnamskirche konnte aber nicht größer ausfallen. Groß, weiß und beinahe kahl steht St. Fronleichnam in einem Arbeiterviertel der alten Kaiserresidenz. Über einem rechteckigen Grundriss erheben sich die weißen Wände. Im Inneren fällt das Licht durch hohe, fast quadratische Fenster von einer Seite in den Raum.

Der Architekt Rudolf Schwarz versuchte die Sphären des Irdischen mit jenen des Himmels zu verbinden. In diesem Versuch näherte er sich bauend, suchend der Mystik an. Denn durch den Verzicht auf bildliche Narrative wird der feiernden Gemeinde und jedem Besucher die Chance gegeben, die eigenen inneren Bilder zu entdecken, diese zu reflektieren und vielleicht sein Gottesbild zu weiten. Für mich ist St. Fronleichnam nicht die Negation von Bildlichkeit, und auch keine Negation von Glaubensinhalten, sondern ihr Gegenpol. So wie das Schweigen in einem Gespräch der notwendige Gegenpol zum Sprechen ist. Denn nur im zuhörenden Schweigen kann das Gesagte aufgenommen und reflektiert werden. Wenn Schweigen und Sprechen einander bedingen, entsteht fruchtbringender Dialog.

Musik:

La Capella Reial de Catalunya und Hesperion XX unter der Leitung von Jordi Savall: "Ballade de la Pucelle: Generique de fin I - nach der Weise „L’homme arme“ aus: JEANNE LA PUCELLE / Original Filmmusik von Jordi Savall
Label: Travelling Auvidis / Extraplatte K 1006