Bibelessay zu Lukas 9,51-62

Hurra, die Schule ist aus! So haben vorgestern viele Kinder jubeln können, zumindest im Osten Österreichs. Und auch manche Lehrerin, mancher Lehrer atmet auf und freut sich über Wochen ohne Stress und Bürokratie.

Am Anfang der Ferien, für viele unmittelbar vor ihrem Urlaub: Sommerlich-leichte Kost ist der Bibeltext ja nicht, den die katholische Leseordnung für diesen Sonntag vorsieht. Beim ersten Hören wirkt er auf mich befremdend und hart. Kühl und forsch ist der Ton, den Jesus anschlägt. Ich blättere zurück zum Evangelium vom vergangenen Sonntag. Dort steht bei Lukas eine Art ‚Meinungsumfrage Jesu‘ unter seinen Jüngern: „Für wen halten mich die Leute? Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; und wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden“ (Lk 9,18f).

Josef Schultes
ist katholischer Theologe und Bibelwissenschaftler

Wes Geistes Kinder

Elija! Im Evangelium dieses Sonntags entdecke ich diese Hoffnungsgestalt wieder. Allerdings nur indirekt, verborgen. Denn Lukas setzt bei seinen Adressaten voraus, dass sie die Elija-Erzählungen kennen. Vor allem jene vom Berg Karmel, wo ein Götterwettstreit stattfindet, nämlich der Gott des Volkes Israel gegen Baal, den kanaanäischen Fruchtbarkeitsgott. Stellvertretend kämpfen also der Prophet Elija und die Priester des Baal fanatisch gegeneinander. In der packenden Schilderung heißt es unter anderem: „Da fiel das Feuer JHWHs herab und verzehrte Brandopfer, Holz, Steine und Erde; auch das Wasser im Graben leckte es auf“ (1Kön 18,38).

Ich bin immer wieder schockiert, wie die Geschichte endet: Der Sieger Elija lässt die Baalspriester niedermetzeln, alle, 450 an der Zahl! Eine grausame Story, sie lässt die Frage im eben gehörten Bibeltext schrecklich werden: „Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt?“ (V.54) Die Bewohner eines samaritanischen Dorfes einfach ausrotten wollen. Bloß weil sie einigen Juden, die unterwegs sind nach Jerusalem, Essen und Quartier verweigern. Denn die Samaritaner, eine religiöse Minderheit, und die Juden lebten damals in Spannung. „Sollen wir Feuer vom Himmel…?“: Der aggressiven Frage seiner beiden Jünger begegnet Jesus, in einer Variante des eben gehörten Textes, mit einer Gegenfrage: „Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid? Ich bin nicht gekommen, Menschenleben zu vernichten, sondern zu retten“.

„Folge mir!“

Der zweite Teil dieses Abschnitts aus dem Lukas-Evangelium steht unter dem Leitwort „Nachfolge“. Und auch dafür gibt es eine Vorlage. Leicht zu erraten: wieder eine der vielen Geschichten um Elija! Ist er doch der einzige unter allen Propheten, der sich explizit einen Nachfolger auswählt, nämlich Elischa. Auf dessen Berufung beziehen sich die drei kurzen Gespräche Jesu. Im 1. Buch der Könige steht dazu folgendes: „Im Vorbeigehen warf Elija seinen Mantel über Elischa. Sogleich verließ er die Rinder, mit denen er gepflügt hatte, eilte Elija nach und bat ihn: Lass mich noch meinem Vater und meiner Mutter den Abschiedskuss geben; dann werde ich dir folgen. Elija antwortete: Geh, kehr um!“ Elischa kann seine Sohnespflicht also noch erfüllen.

Lebenskunst
Sonntag, 30.6.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Lukas lässt Jesus in der Spur des großen Propheten gehen. Doch anders als bei Elija duldet die Nachfolge bei Jesus keinen Aufschub. Hier und jetzt gilt es, sich zu entscheiden, bedingungslos Ja zu sagen, ohne einen Blick zurück. Ich empfinde es nach wie vor als Überforderung.

„Folge mir!“ Akoloúthei moí - zwei kurze Worte auch im griechischen Original. Mich erinnert der Imperativ der Bibel an das „follow me“ auf einem Airport. Dieses Blinklicht auf dem Dach eines Autos: Jeder Pilot weiß, dass er sein Flugzeug hinter her zu steuern hat. „Follow me“: ein Signal, unbedingt zu beachten. „Folge mir!“ Es ist so kompromisslos, weil es hier um etwas Unabdingbares geht. Der Ruf kann auch sehr leise sein und tief innen klingen: zart und liebevoll. Im Urlaub ist er leichter zu hören. Mit dem Ohr des Herzens...