Bibelessay zu Lukas 13,22-30

Dieser Bibeltext ist recht vielschichtig. Der Evangelist Lukas hat hier einige Jesus-Worte thematisch zusammengestellt. Die Tür ist eng! An diesem Bild bleibe ich hängen. Die enge Tür!

Heute, genau acht Tage vor Schulbeginn in Wien, in Niederösterreich und im Burgenland, heute sehe ich schon viele Kinder vor mir, an ihrem ersten Schultag. Wie da die Tür eng wird, wenn sie drängen, lachend, mit ihren bunten Schultüten! Doch der Eintritt in eine neue Lebensphase bringt auch Herausforderungen mit sich.

Josef Schultes
ist Bibelwissenschaftler

„Geht durch das enge Tor!“

Heute erinnere ich mich aber auch an meine eigene Schulzeit, an Lehrerinnen und Lehrer. Besonders an Adolf Jagenteufel, der vor einigen Monaten verstorben ist. Er war mein Lehrer in Latein am Humanistischen Gymnasium in Hollabrunn. Früh hat er meine Sprachbegabung erkannt und gefördert. Er hat mich die Faszination der lateinischen Sprache, ihre innere Logik entdecken lassen. Gratias tibi ago! Zu meinem späteren Studium der Bibelwissenschaft ist damals eine wichtige Tür aufgegangen. Apropos Tür: das Leitwort in diesem Evangelien-Abschnitt.

In diesen Versen ist sie eng: stené thýra steht im griechischen Originaltext. Lukas verwendet das Wort Tür gleich drei Mal, ganz knapp hintereinander, und er setzt davor agonízesthe, „kämpft, strengt euch an“. „Ringt darum“, schreibt Luther, „dass ihr durch die enge Pforte hineingeht“. Angusta porta heißt es bei Hieronymus in der Vulgata, in der bedeutendsten lateinischen Bibelübersetzung; la porta stretta bietet eine neue italienische Version. „Geht durch das enge Tor! Denn weit ist das Tor und breit der Weg, der ins Verderben führt, und es sind viele, die auf ihm gehen“. So lautet die etwas längere Parallelstelle, wie sie der Evangelist Matthäus in der Bergpredigt formuliert. Und er setzt fort: „Wie eng ist das Tor und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und es sind wenige, die ihn finden“ (Mt 7,13f).

Symbole des Glaubens und des Lebens

Wieder zurück zu Lukas. Im ersten der drei Jesus-Worte, die der Evangelist hier aneinanderreiht, ist die Tür eng, aber offen. Wer weiß, wie lange, vielleicht nur heute! Daher der Imperativ: „Kämpft, strengt euch an“. „Bemüht euch mit allen Kräften“, so erklärend die neue Einheitsübersetzung. Ich empfinde das Bild der engen Tür als Appell, als aktuelle Information: Jetzt ist offen, nütze die Chance! Tritt ein, du schaffst es! Ermutigend wie ein heller Lichtstrahl, der auf eine dunkle Engstelle meines Lebens fällt. Wie eine Hand, die mir Halt gibt an der angusta porta, an der Angstpforte: Geh nur durch, vertrau, dahinter warten weite Räume.

Lebenskunst
Sonntag, 25.8.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Porta patet cor magis! Die Tür steht offen, das Herz noch mehr! Viele Klöster und Ordensgemeinschaften haben sich dieses Motto gewählt. Porta patet cor magis! Vier kurze Worte im Lateinischen. Als gastfreundlicher Willkommensgruß oft über der Klosterpforte. Fachleute meinen, der kurze Spruch verdanke sich dem heiligen Augustinus; er hat einst als Bischof von Hippo in Nordafrika gewirkt, im heutigen Algerien. Für mich kann der Spruch gern auch vom heiligen Benedikt stammen, dem Mönchsvater und Patron Europas. Oder vom heiligen Bernhard von Clairvaux, dem Gründer des Zisterzienserordens.

Tore und Türen: Symbole des Glaubens und Symbole des Lebens. Ambivalent, denn sie können eng sein oder weit, offen oder verschlossen, einladend oder abweisend. Manche haben eine Schwelle, die das Draußen vom Drinnen trennt, sichtbar und spürbar. Türen können vertraut sein oder geheimnisvoll. Verbotene Türen gibt es im Märchen wie im Leben. Hintertüren kennt die Geschäftswelt, die Politik – und genauso jeder Alltag. Schließlich soll auch der Himmel eine Tür haben und das Paradies ein Tor. Ich bin überzeugt: beide sind ganz weit offen...