Bibelessay zu Hiob 23,1-17

Das alttestamentliche Buch Hiob erzählt davon, dass der fromme Hiob völlig unerwartet und für ihn unverständlich von einem Schicksalsschlag nach dem anderen getroffen wird. Er verliert erst seine Knechte, dann seine Viehherden. Doch damit nicht genug: Er verliert auch noch seine ganze Familie - und schließlich seine Gesundheit.

Wird Hiob trotz all dieser „Hiobsbotschaften“ sein Vertrauen auf seinen Gott bewahren? Bis heute verzweifeln Menschen angesichts von unerträglichen Schicksalsschlägen, verzweifeln am Leben und verlieren jegliche Hoffnung und jegliches Vertrauen. Das Hiobbuch zeigt den Weg Hiobs durch tiefstes Leid und absolute Dunkelheit zu neuer Hoffnung.

Jutta Henner
ist Direktorin der Österreichischen Bibelgesellschaft

Die Worte der Freunde

Drei Freunde besuchen Hiob, trauern schweigend mit ihm, dann reden sie: Sie meinen, dass sie Hiobs Leid erklären können. Um dem Leid einen Sinn zu geben, wissen sie keine andere Antwort als die: Er selbst müsse eigentlich daran schuld sein. Denn, so die Freunde, dem Gerechten und Frommen wird Gott ein gutes Leben schenken. Widrigkeiten des Lebens seien von Gott nur für diejenigen vorgesehen, die Unrecht getan haben.

Was ist unerträglicher für Hiob in seiner Situation? Das Leid, das ihn getroffen hat oder die ihn in immer tiefere Verzweiflung stürzenden Worte seiner Freunde?

Hiob bleibt nur noch Gott, doch gerade der ist es, den er als den Urheber seines Leides sieht. Hin- und hergerissen zwischen Glauben und Unglauben klagt Hiob ihm sein Leid, ja, er klagt Gott an und rechtfertigt sich. Schließlich ist Hiob von seiner Unschuld überzeugt. Er hat nichts getan, was so unermessliches Leid verdienen würde!

Schöpfer von allem

Hiob sehnt sich nach einer Begegnung mit Gott, nach einer Antwort von ihm. Doch, so erlebt es Hiob, jetzt hat er auch noch Gott verloren, den er als Verursacher seines Leides sieht. Wohin Hiob sich auch wendet, er findet Gott nicht mehr! Gott hat sich ihm verborgen, ist ihm ein dunkler, schweigender, unergründlicher Gott geworden. Hiobs Glaube ist zu seinem eigenen Erschrecken in den Grundfesten erschüttert. Dennoch - Hiob kleidet selbst diese Erfahrung der Gottesferne noch in Worte an Gott, den „Allmächtigen“ (V. 16).

Lebenskunst
Sonntag, 1.9.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Ganz am Ende des Hiobbuches wird Gott sein Schweigen brechen, ganz anders als Hiob es sich vorgestellt hatte. Gott erklärt nicht das unerklärbare Leid. Gott beantwortet nicht die Fragen Hiobs. Ganz im Gegenteil: Er stellt Hiob seinerseits eine Fülle unbeantwortbarer Fragen und verweist damit auf seine Größe und Macht als Schöpfer von allem, auf sich als den unermesslichen und auch geheimnisvollen Gott: „Wo warst du, als ich die Erde gründete?“ (Hiob 38,4).

Ringen mit Gott

Allein, dass Gott zu ihm spricht, wird Hiob genügen und ihm Trost sein. Jetzt erst weiß er wirklich um Gottes Gegenwart und bekennt: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, aber nun hat mein Auge dich gesehen.“ (Hiob 42,5). Sein leidgeprüfter, sein durchlittener Glaube erkennt die Unverfügbarkeit Gottes und die Grenzen aller menschlichen Vorstellungen von Gott an. Dieser verhindert nicht einfach jedes Unglück und jedes schwere Schicksal, jedoch ist Gott immer da, auch und inmitten des unerklärlich bleibenden Leids.

Und Hiobs Freunde? Ihnen wirft Gott am Ende vor, dass sie ihn nicht kennen würden - im Gegensatz zu Hiob.

Ringen mit Gott in Klage und Anklage ist offenbar mehr wert als wortreiches Erklären von Gottes vermeintlichem Willen...