Erinnern und Vergessen

Die Begriffe Erinnern und Vergessen scheinen wie Gegensätze, sind aber ein wichtiges Paar. Erinnern wirkt stark und präsent, ist aber fragil. Das Vergessen ist das normale. Es geschieht lautlos, immer und überall. Wenn wir nicht vergessen könnten, würde das IMMER ALLES SEIN, das ständige ALLES WISSEN Lebenskraft nehmen.

Gedanken für den Tag 18.9.2019 zum Nachhören (bis 17.9.2020):

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Um daran nicht zu ersticken, müssen wir vergessen dürfen. Es gibt für mich zwei wichtige Arten des Vergessens. Das eine möchte ich soziales Vergessen nennen. Es hängt eng mit dem Wunsch nach eigenen Erfahrungen zusammen. Ich kenne es von mir selbst. Als Teenager musste ich die Erfahrung meiner Eltern und Lehrer vorübergehend beiseiteschieben, um diese durch eigene zu ersetzen. Neu selber Denken und erfahren dürfen sind ein wichtiger Motor für die persönliche Entwicklung, aber auch für Innovation und Erfindung.

Elena Holzhausen
ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien

Identität entwickeln und weitergeben

Diesen für mich wichtigen Grundsatz spiegle ich aber immer an der Notwendigkeit, Erinnerungen zu haben und diese teilen zu können. Denn ein alles Wegwerfen würde mich entwurzeln, mir die Standfestigkeit nehmen. Das notwendige erinnern Dürfen hängt eng mit der zweiten für mich wichtigen Art des Vergessens zusammen. Es ist dies das Vergessen durch materielle Entsorgung. Als Denkmalpflegerin habe ich mir zur Aufgabe gemacht, in ständiger Abwägung von Bewahren und Erneuern zu denken und zu entscheiden. Den Begriffen liegt die Idee von Wurzel und Wachstum zu Grunde. Der Wunsch nach Platz schaffen für Neues muss immer gegen das bedenke auch die Wurzeln sorgfältig abgewogen werden.

Ein altes Nebengebäude eines Pfarrhofs einreißen, um einen modernen Pfarrsaal hinzubauen, muss gut geprüft werden. Ich muss die Haltbarkeit meiner geplanten Veränderung kritisch hinterfragen. Wie viel Platz wird gebraucht, kann ich anbauen, wie schaffe ich den Übergang von Alt zu Neu. Materielle Entsorgung und das soziale Vergessen stehen in einer Wechselwirkung zueinander. In unterschiedlichen Kombinationen beschleunigen oder verlangsamen sie das Vergessen. Beide muss ich an der Notwendigkeit zu erinnern spiegeln. Denn nur im Wechselspiel von Erinnern und Vergessen kann ich Identität entwickeln und weitergeben.

Musik:

„Game of thrones“ aus: GAME OF THRONES / Original Fernsehmusik von Ramin Djawadi
Label: Varèse Sarabande VSD7097