Die Zeit ist ein komisches Ding

Auf der Baustelle ist Zeit Geld, Verzögerungen kosten und jeder fürchtet diese Kosten. Wird der Wand-Restaurator oder die Wandrestauratorin nicht fertig, muss das Gerüst länger stehen, damit die Arbeit an den Altären fertig gestellt werden kann.

Gedanken für den Tag 21.9.2019 zum Nachhören (bis 20.9.2020):

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Die Zeit ist ein komisches Ding. Sie bewirkt, dass wir nur einen schmalen Streifen des menschlichen Seins bewohnen. Dieser Streifen ist das Jetzt. Es wird umklammert von zwei großen Feldern. Auf der einen Seite ist es das Feld des nicht mehr seins, also das Vergangene. Auf der anderen Seite liegt das noch nicht, das Zukünftige. Das Feld der Vergangenheit lebt in der Erinnerung, das der Zukunft in der Imagination oder Vorstellung. In der Vorstellung und in der Planung. Erinnern, Vorstellen und Planen sind zentral für das Bauen im Bestand. Für mein Handeln habe ich den schmalen Streifen des Jetzt.

Elena Holzhausen
ist Diözesankonservatorin der Erzdiözese Wien

Unterschiedliche Anforderungen an die Zeit

Betrachte ich die Zeit ausschließlich physikalisch, dann ist die Definition einfach. Es ist das, was die Uhr misst. Die Zeit ist die messbare Dauer von Ereignissen. Auf der Baustelle ist das wichtig aber … Zeit ist auch das, was sie mit uns macht – Alter zum Beispiel -, was wir aus ihr machen, und was wir von ihr brauchen. Denn Menschen und auch unterschiedliche Prozesse haben ganz unterschiedliche Anforderungen an die Zeit.

Ganz deutlich wird das in Entscheidungsprozessen am Finanzmarkt im Vergleich mit jenen in demokratischen Parlamenten. An der Börse braucht es schnelle Entscheidungen, demokratische Debatten haben keinen Platz. Demokratische Gesetzfindungen hingegen brauchen Zeit zum Austausch und zur Konsensfindung. Für mich ist es wichtig, die eigene Zeit zu achten, aber auch die der anderen. Gerade im kreativen Prozess wird das Messbare in eine andere Ebene gehoben. Zeit stockt, Zeit beschleunigt, Zeit stärkt und Zeit kann im künstlerischen Prozess auch Angst machen. Für das Gelingen von Projekten ist es wichtig, dass jeder das Zeitbedürfnis der anderen versteht und dass man dem eigenen Zeitbedürfnis gegenüber ehrlich bleibt, ohne sich in der eigenen Komfortzone zu verstecken.

Musik:

Andreas Scholl/Countertenor, Julian Behr/Laute und Concerto di Viole: „Time stands still“ von John Dowland
Label: Harmonia mundi HMC 901993