Das Geständnis

Ein Verwandter und ich fingen als Knaben an zu rauchen. Nicht dass wir darin irgendetwas Gutes sahen oder am Geruch einer Zigarette besondere Freude gehabt hätten. Wir bildeten uns nur eine Art von Vergnügen ein, wenn wir Rauchwolken aus dem Mund bliesen. Doch wir hatten kein Geld. So begannen wir, vom Taschengeld der Dienerschaft Münzen zu stehlen, um uns dafür indische Zigaretten zu kaufen…

Gedanken für den Tag 1.10.2019 zum Nachhören (bis 30.9.2020):

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Weit schwerwiegender aber als dieser Diebstahl war jener, dessen ich mich etwa später schuldig machte. Die Kupfermünzen mauste ich, als ich zwölf oder dreizehn war. Der andere Diebstahl geschah, als ich fünfzehn war. In diesem Fall stahl ich ein Stück Gold aus dem Armband meines Bruders…

Florian Teichtmeister
liest Texte von Mahatma Gandhi zu dessen 150. Geburtstag

Lektion in Nicht-Gewalt

Aber das war mehr, als ich tragen konnte. Ich beschloss, nie wieder zu stehlen. Ich bereitete mich auch darauf vor, die Tat meinem Vater zu gestehen. Doch ich wagte nicht zu sprechen. Nicht, dass ich gefürchtet hätte, mein Vater werde mich schlagen. Ich kann mich nicht erinnern, dass er je einen von uns geschlagen hätte. Was ich fürchtete, war, ihm Kummer machen zu müssen. Doch ich fühlte, es müsse riskiert werden; es konnte keine Klärung geben ohne klares Geständnis.

Schließlich beschloss ich, das Geständnis niederzuschreiben. Mein Vater las es durch. Tränen liefen über seine Wangen und benetzten das Papier. Einen Augenblick schloss er die Augen im Nachdenken, dann zerriss er die Notiz. Auch ich weinte. Ich konnte meines Vaters Qual sehen. Diese Tränen der Liebe reinigten mein Herz und tilgten meine Sünde. Nur wer solche Liebe erfahren hat, weiß, was sie ist. Wie es im Hymnus heißt: „Nur wer von den Pfeilen der Liebe getroffen ist, kennt ihre Macht.“

Dies war für mich eine praktische Lektion in Ahimsa, in Nicht-Gewalt. Wenn solche Ahimsa allumfassend wird, verwandelt sie alles, was sie berührt. Es gibt keine Grenzen für ihre Macht.

Buchhinweis:

„Denken mit Mahatma Gandhi“, Auswahl aus den Schriften von Fritz kraus und Emil Roniger, Diogenes Verlag

Musik:

Ravi Shankar/Sitar und Mitglieder des Wren Orchestra unter der Leitung von George Fenton: „Villages of Bihar“ aus: GANDHI / Original Filmmusik von Ravi Shankar
Label: BL 14557