May you live in interesting times

Alle zwei Jahre findet in Venedig die Kunst-Biennale statt: eine der größten Ausstellungen moderner Kunst weltweit.

Morgengedanken 12.11.2019 zum Nachhören (bis 11.11.2020):

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

„Mögest du in interessanten Zeiten leben“ – so lautet das Motto der heurigen Kunst-Biennale in Venedig. Bei meinem Besuch vor einigen Wochen ist mir etwas Seltsames passiert: Ich habe mich im großen zentralen Ausstellungspavillon verirrt. Auf der Suche nach dem Ausgang lief ich im Kreis zwischen Gittertüren, die brutal gegen die Wand schlugen, Robotern, die eine blutähnliche Masse im Zaum zu halten versuchten und schwarz-weiß-gefleckten Kühen auf Schienen. Ein realer Alptraum in einer irrealen Kunstwelt!

Elisabeth Rathgeb
ist katholische Theologin in Innsbruck

Leben in interessanten Zeiten

Alle „Exit-Schilder“ führten zu Fluchttüren, die nur im Notfall geöffnet werden durften. Aber einen Alarm in Venedig wollte ich nun doch nicht auslösen. Und so kämpfte ich mich gegen den Besucherstrom zurück zum Eingang. Vielleicht war auch dieser Irrgarten eine Kunst-Inszenierung? Ein Spiegelbild unserer aktuellen Welt?

Manchmal erscheint die Gegenwart mit all ihren Möglichkeiten, Chancen und Risiken wie ein großes Labyrinth, in dem es nicht leicht ist, sich zu orientieren. Groß ist die Versuchung, die Rolle rückwärts zu machen und sich in die „gute alte Zeit“ zurück zu wünschen. Aber das geht nicht. Das Leben will vorwärts gelebt werden, auch wenn wir es oft erst im Rückblick verstehen. Sicher ist: Wir leben in interessanten Zeiten. Und wir können sie mit-gestalten, den einen oder anderen Umweg inklusiv.