Bibelessay zu Maleachi 3,19-20

Der Tag kommt und brennt wie ein Ofen. Das klingt gerade zu dieser Jahreszeit beschaulicher, als es ist. Ofen assoziiere ich normalerweise mit gemütlichem Kaminofen oder heißen Maroni.

Aber, wie die Fortsetzung deutlich macht, hier ist offenbar nicht an einen kuscheligen Platz im Warmen gedacht, sondern an ein wildes, verzehrendes Feuer. Etwas, wovor ich immer schon Angst gehabt habe. Ein großes Lagerfeuer mit seinen sprühenden Funken und der großen Hitze, die es ausstrahlt, das war mir immer schon unheimlich.

Elisabeth Birnbaum
ist katholische Theologin und Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks

Sonne der Gerechtigkeit

Wenn nun der Tag in dieser Weise brennt und alles verzehrt, dann ist das dramatisch und bedrohlich. Und mir als ehemaliger Sängerin kommt sofort das Mozart-Requiem in den Sinn, das Dies irae dies illa, - Der Tag des Zornes, jener Tag, an dem Schrecken und Entsetzen herrschen werden, wie es ein anderer biblischer Prophet, der Prophet Zefanja, beschreibt.

Wie wohltuend empfinde ich dagegen die Sonne der Gerechtigkeit. Für mich liegt in diesem Bild von der Gerechtigkeit als Sonne eine dreifache Poesie: Zunächst einmal „kommt“ sie nicht drohend heran wie der Tag, sondern „geht auf“. Ein Sonnenaufgang ist ein großartiges Erlebnis. Die Sonne strahlt dabei - im wahrsten Sinn des Wortes - eine friedvolle Autorität aus. Man kann sich ihr nicht entziehen, aber sie erzwingt die Aufmerksamkeit nicht. Unbeirrbar zieht sie ihre Bahn und verbreitet ihren Glanz, ohne bedrohlich zu sein. Und: Sie besitzt Flügel. Flügel, mit denen sie offenbar, so lese ich den Text, nicht nur fliegen kann, sondern auch berühren, bergen und schützen. Sie kann sich also frei entfalten und wendet sich zugleich zärtlich den Menschen zu.

Sie brennt auch nicht wie ein Ofen. Obwohl sie doch wesentlich heißer ist als jeder Ofen, als jedes noch so große Feuer. Sie könnte um einiges zerstörerischer wirken als alle Öfen zusammen. Aber sie tut es nicht. Stattdessen heilt sie.

Wechselbad der Gefühle

Was für ein schönes Bild für Gerechtigkeit! Nicht die strenge, strikte Gesetzeseinhaltungsgerechtigkeit, die auf Punkt und Komma schaut und jedes kleine Vergehen sofort ahndet. Sondern eine barmherzige, friedliche, ihre Macht nie ausspielende und den Menschen zugewandte heilende Gerechtigkeit, die ich im alten und neuen Testament so oft finde. Sie kann das heilen, was Ungerechtigkeit, Hass und Gewalt verwundet haben. Und das stelle ich mir sehr sehr schön vor.

Lebenskunst
Sonntag, 17.11.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Natürlich fällt mir bei „Sonne der Gerechtigkeit“ auch gleich das Kirchenlied „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf in unsrer Zeit“ ein. In meiner Pfarre wird es oft zu Weihnachten gesungen und spricht da von Christus. Das Lied ist schön, ein bisschen anstrengend mit den großen Intervallsprüngen hinauf – und das in der Früh! - aber schön. Trotzdem vermisse ich etwas dabei: Die jubelnde Freude, die bei Maleachi beschrieben ist. Die Freude, die uns wie Kälber springen lässt. Ich war selber oft am Bauernhof in den Ferien und Kälber, die ausgelassen herumgesprungen sind, waren für mich immer ein Anblick, bei dem ich am liebsten mitspringen wollte und gleichzeitig lachen musste, wie tolpatschig und fast grotesk sie dabei aussahen. Und im Grunde, denke ich, wäre das die angemessene Antwort auf die aufgehende, heilende Sonne der Gerechtigkeit: eine Freude, die tolpatschig, grotesk, die närrisch macht.

Der bedrohliche Tag mit Feuer und Schrecken, die ruhige und heilsame Präsenz der Gerechtigkeit und die ausgelassene Freude darüber, - ich erlebe mit diesem Text ein wahres Wechselbad der Gefühle. Und eigentlich nicht nur mit diesem Text über den dramatischen Tag am Ende der Zeiten, sondern mit Gott selbst. Für mich ist er verzehrend wie Feuer, staunenswert wie ein Sonnenaufgang, heilsam und närrisch machend vor Jubel.