Mach einen Umweg!

Ein junger Mann suchte einen Zen-Meister auf. „Meister, wie lange wird es dauern, bis ich Erleuchtung erlangt habe?“ „Vielleicht zehn Jahre“, entgegnete der Meister.

Gedanken für den Tag 3.12.2019 zum Nachhören (bis 2.12.2020):

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„Und wenn ich mich besonders anstrenge, wie lange dauert es dann?“, fragte der Schüler. „In dem Fall kann es zwanzig Jahre dauern“, erwiderte der Meister. „Ich nehme aber wirklich jede Härte auf mich. Ich will so schnell wie möglich ans Ziel gelangen“, beteuerte der junge Mann. „Dann“, erwiderte der Meister, „kann es bis zu vierzig Jahre dauern.“

Geschwindigkeit killt Lebensqualität

Viele Geschichten aus der Buddha-Lehre klingen für unseren westlichen Geist ziemlich unlogisch. Die meisten von uns sind fest überzeugt, dass wir uns umso mehr anstrengen müssen, je mehr oder je schneller wir etwas haben wollen. Wir sind so konditioniert und es würden uns wahrscheinlich auch ganz viele Beispiele dazu einfallen, warum diese Sicht die richtige ist. Aber ist das wirklich so? Haben wir es schon einmal andersherum versucht?

Gerhard Weißgrab
ist Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft

„Speed kills“ ist eine gerne gebrauchte Formulierung unserer Zeit und könnte genauso mit den Worten „Der Schnellere gewinnt“, oder „Zeit ist Geld“ ausgedrückt werden. Ein kleines Nebenprodukt dieser Denkweise besteht aus meiner Sicht auch darin, dass es einem oft vorkommt, als hätte dieses Jahr gerade erst begonnen und schon feiern wir in ein paar Wochen wieder Weihnachten.

Das, was Geschwindigkeit wirklich killt, sind unsere Muße und die Qualität auf ganz vielen Ebenen unseres Lebens. Viele von uns haben verlernt, dass die Dinge ihre Zeit brauchen, um reif zu werden und wir keine Möglichkeit haben, diesen Prozess wirklich zielführend und sinnvoll abzukürzen. Wir sollten das annehmen und die Vorstellung, dass alles machbar ist, einfach loslassen. Ein Blick in die Natur und ihre Gesetzmäßigkeiten kann dabei sehr hilfreich und lehrreich sein. In diesem Sinne noch ein guter Rat zum Schluss: „…wenn du es sehr eilig hast, dann mach einen Umweg!“

Musik:

Yo Yo Ma/Violoncello und Filmorchester unter der Leitung von John Williams: „Palace invitation“ aus: SIEBEN JAHRE IN TIBET / Original Filmmusik von John Williams
Label: Sony Music SK 60271