Elisabet und Maria – zwei beste Freundinnen

Große Gestalten der Bibel – menschlich gesehen, Teil 3: Was sollte sie jetzt tun? Maria war kein Kind von Traurigkeit. Aber diese Schwangerschaft war für sie das größte anzunehmende Unglück, der Super-GAU ihrer Beziehung zu Josef.

Sie war schon einige Zeit verlobt mit diesem Zimmermann, diesem Handwerker, der von Kraft strotzte und zugleich so zärtlich und liebevoll sein konnte. Manchmal hatte sie ihn schon ganz verstohlen aus den Augenwinkeln angehimmelt. Sie nahm sich aber gleich wieder zurück, sobald er etwas bemerkte. Maria wusste, es wäre Josef nicht recht, wenn sie ihm frühzeitig zu nahe käme.

Josef Bruckmoser
ist katholischer Theologe, Wissenschaftsjournalist und Buchautor

Maria besucht Elisabet

Und jetzt das. Sie konnte doch nicht hingehen und ihm diese Geschichte von dem Engel erzählen, von diesem fremdartigen Boten. Diese Geschichte, die Lukas später in seinem Evangelium aufschreiben würde: Dass dieses Kind nicht von einem anderen Mann war, sondern dass es von einer höheren Macht stammte. Wie sollte Josef das glauben können, bei all seiner Liebe, derer sie sich sicher war. Nein, das konnte sie ihm nicht antun. Das brachte sie nicht übers Herz.

In dieser verzweifelten Situation erzählt der Evangelist Lukas, dass der Bote namens Gabriel selbst Maria einen Hinweis gegeben habe. Ihre Kusine Elisabet, die schon in hohem Alter war, habe auch ein Kind empfangen. Sie sei schon im sechsten Monat. „Denn für Gott ist nichts unmöglich“, hatte der Engel gesagt. Also raffte sich Maria auf und machte sich auf den Weg. Sie hatte Elisabet schon immer als ihre ältere Freundin geschätzt, reich an Lebenserfahrung. Vielleicht wusste sie auch jetzt einen Rat, oder zumindest einen Trost.

Tröstende Worte

Es ist eine der menschlich ergreifendsten Szenen in der Bibel, wie Lukas die Begegnung der beiden Frauen schildert. Da kommt Maria voller Fragen, Zweifel und Not wegen des Kindes, mit dem sie schwanger ist. Und die andere, Elisabet, tut ihr den großen, hoffnungsvollen Horizont auf, den jede Schwangerschaft, jedes neue Menschenleben in diese Welt bringt. Elisabet eröffnet der jungen Frau, was es heißt, „gesegneten Leibes“ zu sein. Sie hat es selbst in ihrem hohen Alter noch erfahren dürfen. Sie ist jetzt überglücklich und sagt zu Maria: „Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.“

Lebenskunst
Sonntag, 15.12.2019, 7.05 Uhr, Ö1

Da springt der Funke über. Maria ist einmal mehr beeindruckt von ihrer Base/Kusine und Freundin. Wie sie sich überhaupt nicht irritieren lässt vom äußeren Anschein. Wie sie hinter die Dinge schaut und wie sie selbst dort noch Gutes sehen kann, wo andere nicht mehr ein und aus wissen.

Maria lässt sich ergreifen von dem Zuspruch, den sie erfährt. Sie ist offen für diese tröstenden Worte. Sie weiß, bei Elisabet ist das nicht einfach so hingesagt. Ihre Verwandte hatte selbst jahrzehntelang die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie noch ein Kind bekommen würde. Im Unterschied zu ihrem Mann Zacharias hatte sie wider alle Hoffnung gehofft. Maria bewunderte diesen Glauben, der sich nicht durch die sogenannten Fakten erschüttern ließ.

Magnificat

Erstmals, seit der fremde Bote ihr seine ungeheure Botschaft gebracht hat, fühlt Maria sich verstanden. Sie stimmt eines der schönsten Lieder an, das uns in der Bibel überliefert ist: das Magnificat, dieses „hoch preiset meine Seele den Herrn“. Anders als die junge Schwangere hat der Evangelist Lukas, der Verfasser des sogenannten Lukas-Evangeliums, schon das ganze Leben Jesu vor Augen, als er diesen Text niederschreibt. Er legt Maria in den Mund, was ihr Kind für die Welt bedeutet, wie Jesus das Leben der Menschen verändern will:

„(Denn) der Mächtige hat Großes an mir getan / und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten.
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen.“