Bibelessay zu Numeri 6,22–27

Frisch und unberührt wie ein unverspurter Tiefschneehang liegt das neue Jahr vor uns. Mich macht das auch ein wenig unsicher: Werde ich genug Gelegenheit haben, schöne Spuren zu ziehen? Werde ich das allein tun müssen? Und werde ich genug Mut und Ausdauer haben, mich diesem Hang anzuvertrauen?

Da tut es mir gut, innezuhalten und Atem zu schöpfen. Und mich nicht ganz allein zu wissen. Vor jeder noch so großen Aufgabe darf ich mich vergewissern, dass ich sie sicher nicht allein meistern muss. Wenn ich das Glück habe, in einer Freundschaft, Beziehung oder großen Liebe geborgen zu sein, dann tun mir diese Worte, diese Gesten und die körperliche Nähe gut und ich weiß mich gehalten.

Toni Faber
ist Dompfarrer in St. Stephan in Wien.

Segen über das Volk

Ganz sicher gehalten weiß ich mich unter dem Segen Gottes, der auf allen Wegen seinen Segen zuspricht. Die schöne Aufgabe, einem Gegenüber die aufmunternden und wohlwollenden und damit zukunftsstiftenden Worte eines Segens mitzugeben, ist ganz besonders im aaronitischen Segen im vierten Buch Mose zu finden, der sehr gerne an einem solchen Neuanfang über das ganze Volk gesprochen wird.

Der Segen soll den Weg in bewohnbare und sichere Räume in unsere nächste Zukunft zeigen, wo ich weiß, ich bin vor all dem bewahrt und beschützt, was mir auch immer schaden könnte. Im vertrauensvollen strahlenden Blick des Gegenübers soll ein Licht aufleuchten, dass in der Unsicherheit des gesamten Lebens zumindest die nächsten Schritte klar erkennbar sind. Dass ich nicht ein Kind des Zufalls bin oder gar eine Laune der Natur.

Die Bibel sieht es so: Wir sind gewollt, und in unserem Sosein können wir uns sehen lassen und müssen uns nicht verstecken. Wir dürfen damit rechnen, dass wir auf Wohlwollen stoßen und nicht der gnadenlosen Kritik und der zerstörerischen Schlechtmacherei anheimfallen.

Positive Veränderung der Wirklichkeit

Wie schön, wenn ich jemanden als Gegenüber habe, von dem ich erkenne, dass er oder sie sich voller Hingabe und Empathie jetzt nur für mich Zeit nimmt und sich durch nichts und niemanden davon ablenken lässt. Mich liebevoll in den Blick nimmt und mich alle Oberflächlichkeit und Zerstreuung vergessen lässt. Dann breitet sich ein wohliger Frieden in meinem Herzen aus und ich kann es wieder wagen zu sprechen: Ich glaube an den Gott, dessen Namen bedeutet „Ich bin, der ich bin da für euch!“

Lebenskunst
Mittwoch, 1.1.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Im Namen dieses Gottes darf ich dieses neue Jahr beginnen. Und ich wünsche allen, die sich danach sehnen, einen Menschen, der einen solchen Segen über uns spricht. Aber auf jeden Fall kann jeder und jede damit beginnen, einen solchen Segen über die anderen zu sprechen. Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.

Ich mache immer wieder Menschen Mut, einen Segen zu erbitten und am besten auch selber anderen diesen Segen zuzusprechen. Er verändert nicht nur meine Wahrnehmung von schwierigen Aufgaben in meinem Leben, sondern hat auch ungeheures Potential zur positiven Veränderung einer Wirklichkeit. Er schenkt mir mehr Gelassenheit, das zu tun, was mir möglich ist. Auch wenn es manchmal angesichts der Größe der Aufgaben wenig erscheint. Ich bin überzeugt: Dem Menschen, der das Seine tut, dem versagt Gott seine Gnade nicht. Auf ein gesegnetes neues Jahr!