„Friede den Menschen auf Erden“

Verherrlicht ist Gott in der Höhe / und auf Erden ist Friede / bei den Menschen seiner Gnade. Oder - so die gängigere Version - Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind.

Zwischenruf 12.1.2020 zum Nachhören (bis 11.1.2021):

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Unzählige Christinnen und Christen haben in der Heiligen Nacht des 24. Dezember in dieses Lob Gottes eingestimmt, das dem Lukasevangelium folgend eine Schar himmlischer Heerscharen anstimmt angesichts der Geburt des Jesus von Nazareth. Sie feierten die Geburt des Gottessohnes und haben allen Menschen auf der Welt den Frieden verkündigt.

Regina Polak
ist katholische Theologin und Religionssoziologin

„Ihr gehört nicht dazu“

Jetzt ist der Alltag wieder angebrochen. Was bedeutet diese Botschaft da? Gilt dieser Friede auch den muslimischen Bürgerinnen und Bürgern im Land - in Österreich?

Laut einer repräsentativen Studie der Universität Salzburg sind 45% der Österreichinnen und Österreicher der Ansicht, dass Muslime „nicht die gleichen Rechte haben sollten wie alle in Österreich“. 70% finden, dass der Islam nicht in die westliche Welt passt. Unter den Befragten sind auch Menschen, die sich selbst als Christinnen und Christen bezeichnen. Als ich diese Studienergebnisse das erste Mal gehört habe, war ich bei einem Vortrag, der von der Anas Schakfeh-Stiftung organisiert worden war und bin inmitten von jungen muslimischen Studierenden gesessen, die Mehrheit unter ihnen österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger, in Österreich aufgewachsen und hier zur Schule gegangen. Die Stimmung im Raum ist erstarrt. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt. Diese Einstellungen signalisieren einer ganzen Gruppe: Ihr gehört nicht dazu. Wir wollen Euch hier nicht.

Frieden für alle?

Auch eine Studie des US-amerikanischen PEW-Forschungszentrums für Religion im öffentlichen Leben hat gezeigt, dass viele Christinnen und Christen ihre religiöse Identität dazu benützen, sich von Musliminnen und Muslimen abzugrenzen.

Zwischenruf
Sonntag, 12.1.2020, 6.55 Uhr, Ö1

Ist das ein Beitrag zum Frieden? Oder werden die Musliminnen und Muslime da zu Sündenböcken gemacht, um von den eigenen Problemen abzulenken und sich in unsicheren Zeiten wieder einig fühlen zu können?

Als katholische Christin halte ich Einstellungen, die „den“ Islam oder pauschal alle Musliminnen und Muslime diskriminieren und ausgrenzen, für unvereinbar mit dem Glauben. In „Nostra Aetate“, dem Gründungsdokument der katholischen Kirche über deren Verhältnis zu den nicht-christlichen Religionen, hat die Kirche nämlich bereits 1965 festgehalten:

Nostra Aetate

„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde (5), der zu den Menschen gesprochen hat.“

Die katholische Kirche erkennt also im Glauben der Musliminnen und Muslime den eigenen Glauben an den einen Gott wieder.

Freilich ist sie sich auch der Gewalt und der Kriege, der Probleme und Konflikte zwischen den Gläubigen dieser Religionen bewusst. Aber sie reagiert, anders als so mancher Mitbürger, so manche Mitbürgerin, nicht mit Ressentiment und Ausgrenzung. Stattdessen mahnt sie zur Versöhnung und ermutigt zu Begegnung, Dialog und Zusammenarbeit.

Vergangenes beiseite lassen

Das kirchliche Dokument schreibt: „Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“

Eine solche Praxis zu riskieren wäre doch ein schöner, wahrhaft christlicher Versuch, den Weihnachtsfrieden auch im kommenden Jahr in die Praxis zu übersetzen!