Diktat der Zeit

Zeit kann man messen – dafür gibt es seit Jahrhunderten die verschiedensten Geräte, die immer genauer und präziser arbeiten. Dass wir dadurch aber das eigentliche Zeitgefühl verlieren, darüber spricht Margit Hauft in den Morgengedanken.

Morgengedanken 20.1.2020 zum Nachhören (bis 19.1.2021):

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„Als Gott die Zeit erschuf, gab er den Afrikanern die Zeit und den Europäern die Uhr.“

Margit Hauft
ist ehemalige Vorsitzende der katholischen Frauenbewegung

Verplanung des Menschen

Heute geht es um das wohl am gerechtesten verteilte Gut auf unserer Welt, die messbare Zeit. 24 Stunden pro Tag sind es für jeden und jede von uns. Das sollte doch genügen, oder? Ich muss gestehen, dass ich kaum einen Menschen kenne, der nicht schon über Zeitmangel, Hektik oder Stress geklagt hätte. Vielleicht gehört es inzwischen sogar schon zum guten Ton, mit einem vollen Terminkalender den Eindruck zu vermitteln, eine besonders wichtige und unentbehrliche Persönlichkeit zu sein?

Ironie beiseite: Das Diktat der Zeit, die genaue Verplanung des Menschen, bei der sogar Freizeit zum Stress ausarten kann, ist eine Erfindung der Neuzeit. Als die Menschen im 14. Jahrhundert die erste mechanische Uhr erfanden, hatte die nur einen Stundenzeiger, konnte also weder Minuten noch gar Sekunden zählen. Die extrem genauen Messgeräte, die heute die verfügbare Zeit bis hin zu weniger als Tausendstelsekunden zerhacken, sehe ich nicht nur als Fortschritt. Sie bergen wohl eher die Gefahr in sich, das hilfreiche persönliche Zeitgefühl zu verlieren und unsere ganze Existenz dem Diktat der Zeit unterzuordnen, wenn wir es zulassen.