Bibelessay zu Matthäus 5,13-16

Es ist eine fröhliche Zeit im Leben Jesu, von der Matthäus hier erzählt. Jesus wandert durch ganz Galiläa, ein Gebiet etwa so groß wie Vorarlberg, er verkündet seine frohmachende Botschaft von einem Gott, der auf die Menschen zugeht und sie gern hat. Er heilt „alle Kranken mit den verschiedensten Gebrechen“, so heißt es im Evangelium.

Daraufhin folgt die erste von fünf sogenannten Reden Jesu, die „Bergpredigt“. Diese Reden sind eine Kunstform von Matthäus, der wichtige Themen in Reden bündelt und so Jesus parallel zu Mose versteht: Wie Mose die Hebräische Bibel prägt durch die fünf Bücher Mose, so prägt Jesus die Frohe Botschaft durch diese fünf Reden. Direkt im Anschluss an die Seligpreisungen folgen diese beiden Bildworte, sie sind Aussage und Aufforderung zugleich: „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“ Also: „Seid Salz, seid Licht!“ Das sind zwei starke Bilder.

Helga Kohler-Spiegel
ist Theologin, Religionspädagogin und Psychotherapeutin

Salz sein. Und Licht.

In meiner Kindheit wurde vor allem uns Mädchen gesagt: „Seid brav, seid still, seid bescheiden, gebt dem Frieden zuliebe nach.“ Christliche Sozialisation hieß lange Zeit, für Mädchen und Frauen, aber auch für Buben und Männer: „Seid zurückhaltend, seid ruhig, passt euch an die vorgegebenen Strukturen von Macht und Herrschaft an, der Herrgott weiß schon, warum das alles so ist.“

Hier, in diesem Text von Matthäus höre ich zwei andere Aufforderungen – gerichtet an Frauen und an Männer, an Jung und Alt. Die dafür verwendeten Bilder sind klar und scharf zugleich, es geht nicht um einen Kompromiss, sondern: Salz soll salzig sein, Licht soll strahlen und sichtbar sein – wie eine Stadt auf einem Berg, wie eine Lampe auf einem Tisch. Also – das ist die Aufforderung an Christinnen und Christen bis heute: Seid so sichtbar wie eine Stadt auf einem Berg und wie eine Lampe auf einem Tisch. Seid so würzig wie Salz. Denn wenn Salz fehlt, sind Speisen langweilig.

Lebenskunst
Sonntag, 9.2.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Worte an alle Menschen

Also sind Christinnen und Christen dazu aufgerufen und aufgefordert, so zu wirken, dass das Leben nicht langweilig ist. Das finde ich einen wunderbaren Auftrag: Christinnen und Christen sind gerufen, darauf zu achten, dass das Leben nicht langweilig wird. „Ihr seid das Salz der Erde“, heißt auch: „Ihr seid dafür zuständig, dass das Leben nicht ‚salzlos‘, nicht langweilig ist.

Und, ich denke, das ist spannend, an einer Welt zu arbeiten, in der gekrümmte Frauen aufgerichtet werden, in der arme Menschen nicht alleine sind, in der kranke Menschen nicht selbst schuld sind an ihrer Krankheit, in der Menschen gestärkt statt kleingemacht werden. Jesus spricht von einer Welt, in der alle Menschen leben dürfen, egal ob sie Herr sind oder Sklave, ob sie Mann sind oder Frau oder in einem dritten Geschlecht, egal welcher Religion sie angehören. Viele Menschen nach Jesus engagieren sich für eine solche Welt. Das ist keine langweilige dunkle, sondern eine helle und würzige Welt, denke ich.

Der Textabschnitt bei Matthäus ist eine Aufforderung, den Glauben sichtbar zu machen und anderen Menschen die Chance zu geben, diese Überzeugungen zu sehen: Salz sein und Licht sein und gute Werke. Die Worte sind an alle Menschen gerichtet, die der Botschaft Jesu folgen. Für sie gelten diese beiden Bildworte: Euer Handeln soll wirken wie Salz. Und eure Taten sollen sichtbar sein wie Licht, sie sollen die Welt hell machen, freundlich und sicher.