Judentum

Zum 125. Geburtstag von Max Horkheimer: „Wer im Schirm des Höchsten wohnt, der ist im Schatten des Allmächtigen geboren.“ Die Mutter hat den Psalm geliebt; ihn von der Erinnerung an den Glanz ihrer Augen zu lösen, vermag ich auch heute nicht. Er war der Ausdruck ihrer Gewissheit einer göttlichen Heimat, angesichts der Not und des Schreckens in der Wirklichkeit.

Gedanken für den Tag 14.2.2020 zum Nachhören (bis 13.2.2021):

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Max Horkheimer spricht vom Beginn von Psalm 91, der auf dem Grab seiner Eltern steht. „Der Ewige bedeutet die Zuflucht und wo es der Zuflucht bedarf, lauert Gefahr“, kommentiert er. Heute vor 125 Jahren wurde Horkheimer in eine Familie hineingeboren, in der seine geliebte Mutter auf die Speisegesetze achtete und man am Sabbat in die Synagoge ging.

„Sehnsucht nach dem ganz anderen“

Während sein Vater auch nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland bleiben wollte, weil er meinte „Unsere Familie lebt schon länger in Deutschland als die des Herrn Hitler“, hat Max Horkheimer selbst früher als jeder andere in seiner Umgebung geahnt, was passieren wird. Als Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg abzusehen war, sah er einen fanatischen Nationalismus aufkommen und damit eine Gefahr, die das Judentum bedrohte. Am Ende des Ersten Weltkriegs schildert er in einer Novelle einen Traum, in dem er als Jude durch die Straßen getrieben und von einem verhetzten Pöbel verspottet und angespuckt wird.

Cornelius Hell
ist Literaturkritiker und Übersetzer

Nach seiner Rückkehr aus den USA wurde Max Horkheimer 1951 zum Rektor der Universität Frankfurt gewählt – und war damit der erste Rektor in der deutschen Universitätsgeschichte.

Oft hat sich Max Horkheimer in Gesprächen auf das Judentum bezogen. Durch die Verpflichtung und den Willen zur Gerechtigkeit sind die Juden Feinde alles Totalitären, und grade darin sieht Horkheimer eine der Wurzeln des weltweiten Antisemitismus. Wichtig war ihm auch, wie er schreibt: „dass es in der jüdischen Religion nicht so sehr darauf ankommt, wie Gott ist, sondern wie der Mensch ist“. Wichtiger als ein theoretischer Glaube ist im Judentum das Tun, das richtige Verhalten.

Dass Max Horkheimer eine „Sehnsucht nach dem ganz anderen“ aufrechterhalten will, ohne diese Transzendenz wortreich zu beschreiben, ist auch ein Erbe seiner jüdischen Religion.

Buchhinweise:

  • Alfred Schmidt, Gunzelin Schmid Noerr (Hg.), „Gesammelte Schriften“, Verlag Fischer
  • Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, „Dialektik der Aufklärung“, Verlag Fischer
  • Max Horkheimer, „Traditionelle und kritische Theorie“, Verlag Fischer
  • Max Horkheimer, „Zur Kritik der instrumentellen Vernunft“, Verlag Fischer
  • „Max Horkheimer mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten“, dargestellt von Helmut Gumnior und Rudolf Ringguth, Verlag Rowohlt
  • Rolf Wiggerhaus, „Max Horkheimer. Begründer der ‚Frankfurter Schule‘“, Societäts-Verlag

Musik:

Laurie Anderson und Kronos Quartet: „The water rises“ von Laurie Anderson
Label: Warner/Nonesuch Rec. 7559793389