„Mensch-für-sich-selbst“

Es ist ein Stück Weltliteratur: das Tagebuch der Anne Frank. Vor 75 Jahren ist das jüdische Mädchen im Holocaust gestorben.

Morgengedanken 20.3.2020 zum Nachhören (bis 19.3.2021):

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Der Glaube war in Anne Franks bisherigem Leben wenig bedeutsam. Sie schreibt: „Jüdisch sein war bei uns zu Hause nicht so wichtig. (…) bei uns spielte der Glaube keine große Rolle.“

Inge Cevela
ist Kinderbuchexpertin

Schmaler Blick durchs Dachfenster

Aber dann – in ihrem Versteck vor dem NS-Regime im Hinterhaus – erlebt und beschreibt sie die ständige furchtbare Anspannung: „Eine Anspannung von Erwartung und Hoffnung, aber auch von Angst, wenn man im Haus oder draußen Geräusche hört, wenn geschossen wird oder wenn neue ‚Bekanntmachungen‘ in der Zeitung stehen“ (2. Mai 1943). Dazu kommt die Sorge, dass den Helferinnen und Helfern etwas passieren könnte. Das Gefühl des Ausgeliefertseins verursacht depressive Zustände, wird unerträglich.

Da ist es der verbliebene schmale Blick durchs Dachfenster in den Himmel, der sie nach und nach öffnet für ein neu aufkeimendes Wissen um eine andere Form von Geborgensein. Ende 1943 schreibt Anne zum ersten Mal vom Beten und bittet Gott direkt, ihr zu helfen. Später notiert sie: „(…) und ich wusste, dass ich ein „Mensch-für-sich-selbst“ bin, der nicht mit der Hilfe anderer rechnen darf. Meine Angst war verschwunden. Ich sah hinauf zum Himmel und vertraute auf Gott.“