„Sein Blut komme über uns…“

Bachs Matthäus-Passion theologisch gedeutet: Am Karsamstag, 11. April 2020, widmet sich das Ö1-HÖRSPIEL um 14.00 Uhr dem Text der Matthäus-Passion und um 15.05 Uhr APROPOS KLASSIK der Musik der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach.

Um 19.05 Uhr geht LOGOS dem Inhalt der Matthäus-Passion, dem „Bericht vom Leiden und Sterben Jesu nach dem Evangelium von Matthäus“ theologisch auf den Grund.

Die 1727 in der Leipziger Thomaskirche uraufgeführte Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach ist ein Höhepunkt der protestantischen Kirchenmusik. Ihre Aufführung dauert zweieinhalb Stunden und ist ursprünglich mit zwei Chören, zwei Orchestern und Solisten besetzt. Das Rückgrat bildet der vom Evangelisten Matthäus erzählte Bericht vom Leiden und Sterben Jesu Christi. Passionschoräle und erbauliche Dichtungen von Picander ergänzen die Passion.

Logos
Samstag, 11.4.2020, 19.05 Uhr, Ö1

Antisemitische Verfolgung aufgrund von „Blutruf“

In den vergangenen Jahren ist Bachs monumentales Werk unter den Verdacht des Antisemitismus geraten. Einige Textzeilen aus dem Matthäus-Evangelium insinuieren eine Kollektivschuld der Juden am Tod Jesu. Denn der aus dem Judentum kommende Autor des Matthäus-Evangeliums stellt seine Herkunftsreligion, das „jüdische Volk“, als blutgierige Meute dar, das von Pontius Pilatus vergeblich beschwichtigt wird und von ihm die Folterung und Kreuzigung Jesu fordert: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ – mit diesem sogenannten „Blutruf“ laden die Juden in der matthäischen Version die Schuld an der Hinrichtung Jesu einmütig und freiwillig auf sich. Der Blutruf lehnt sich an eine alttestamentlich sakral-rechtliche Formel an, mit der man vergossenes Blut auf andere abwälzt und damit auch den Schaden und das Unheil, das man von ihm befürchtet.

Die frühchristliche Theologie folgerte unter Berufung auf diese Aussage bei Mt 21,43, dass die universale Kirche an die Stelle des Gottesvolkes Israel tritt. Antijudaistische und antisemitische Verfolgungen haben seit dem frühen Christentum bis zur Zeit des Nationalsozialismus im Blutruf eine Rechtfertigung gesehen. Als im Jahr 70 der Tempel in Jerusalem zerstört und das jüdische Volk in die Diaspora ging, wurde die Meinung vertreten, dass das Volk Israel damit für die Kreuzigung Christi bestraft wurde. Daraus entwickelte sich der Gedanke einer „Erbschuld“, die jeden einzelnen Juden betreffe.

Wie sind diese Stellen bibeltheologisch zu deuten? Worin besteht die Problematik mancher Textstellen in der Matthäus-Passion? Was aber ist auch ihre Größe und bleibende Bedeutung? Und: Wie kann und soll man die Passion heute rezipieren?

Johannes Kaup ist den Texten und der Musik nachgegangen und versucht mithilfe von Expertinnen und Experten das Bachsche Ausnahmewerk theologisch zu würdigen.

Logos 11.4.2020 zum Nachhören (bis 10.4.2021):

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