In der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernen

Zum 75. Todestag von Dietrich Bonhoeffer: Am 21. Juli 1944, einen Tag nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler, hat der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer geahnt, dass sein Leben verloren ist – auch wenn bis zum Galgen noch 8½ Monate vergehen sollten.

Gedanken für den Tag 4.4.2020 zum Nachhören (bis 3.4.2021):

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Angesichts des Endes fragt Bonhoeffer im Gefängnis nach dem, was sein Christsein ausmacht: „Ich dachte, ich könnte glauben lernen, indem ich selbst so etwas wie ein heiliges Leben zu führen versuchte. (…) Später erfuhr ich und erfahre es bis zur Stunde, daß man erst in der vollen Diesseitigkeit des Lebens glauben lernt – und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben. (…) Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen (…), dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane, (…); und so wird man ein Mensch, ein Christ.“

Gunter Prüller-Jagenteufel
ist katholischer Theologe

Der Beginn des Lebens

Dass Bonhoeffers Leben vor 75 Jahren am Galgen geendet hat, war kein Zufall. So wie auch Jesu Tod am Kreuz kein Zufall war. Beide sind beseitigt worden, weil sie den egoistischen Interessen der Mächtigen Widerstand entgegengesetzt hatten; weil sie sich konsequent einsetzten für die, die nichts galten; weil sie dieser Welt nicht nur den Spiegel vorgehalten, sondern ihr auch eine Ahnung dessen gegeben haben, was „Reich Gottes“ heißen könnte.

So ist Bonhoeffer als Christ mit beiden Beinen fest auf der Erde gestanden und hat doch alles von Gott erwartet. Die letzten Worte, die von Bonhoeffer überliefert sind, hat ein Mitgefangener berichtet: Abgeholt zum Transport ins KZ Flossenbürg gibt er ihm eine letzte Botschaft für einen Freund mit: „Das ist das Ende. Für mich der Beginn des Lebens.“

Musik:

Heidelberger Kantorei und Jugendkantorei Heidelberg unter der Leitung von Erich Hübner: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ von Otto Abel und Dietrich Bonhoeffer
Label: Hänssler CDNO 98130