Gaselen

Goethes poetisches Vorbild, Hafis, der berühmte persische Dichter und Verfasser des „Divans“ war schon zu Lebzeiten ein berühmter und wohl auch begüterter Mann, gerne gesehen bei den Herrschern des Reiches, vor allem wohl wegen seiner Rezitationskunst und seiner musikalischen Meisterschaft.

Gedanken für den Tag 23.4.2020 zum Nachhören (bis 22.4.2021):

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„Divan“ ist übrigens der Name für eine Sammlung ganz spezifischer Gedichte, der Gaselen, die eine höchst komplizierte Rhythmik und eine ganz bestimmte Reimform haben.

Wolfgang Müller-Funk
ist Literaturwissenschaftler

Paradieses Hauch

Wegen seiner hymnischen Anpreisung von Wein und Eros geriet Hafis freilich schon bald unter heftigen Beschuss der muslimischen Geistlichkeit seiner Zeit. Letztendlich wurde die Fatwa, der Bann, aber nicht über ihn verhängt, und zwar dank der Intervention des Großmuftis von Istanbul Abusu´ud, dem Goethe in zwei Gedichten dafür Dank abstattet. Der höchste geistliche Würdenträger des Osmanischen Reiches räumt zwar ein, dass Hafis einige geringfügige religiöse Übertretungen begangen habe - an dessen Frömmigkeit lässt er indes keinen Zweifel. Das Lob auf Wein und Liebe hat er wie andere gelehrte Interpreten auch wohlwollend allegorisch gedeutet, als Gleichnis einer emotional erfüllten Gottesliebe:

Jetzt da wie Paradieses Hauch / die Luft vom Garten mich umfächelt, / Freu ich des Weins mich, da mir auch/ der liebsten Auge wieder lächelt.

Den großen Erfolg dürfte der Barde seinen Rezitationskünsten und seiner Musikalität zu verdanken haben. Er war, wie man heute sagen würde, ein Profi der Performance, ein Bühnenstar. „Der Divan“, die Gedichtsammlung mit über 700 Gedichten, überwiegend Gaselen, ist nämlich erst nach dem Tod Hafis´ von seinen Schülern zusammengestellt worden. Heute ist der persische Dichter bei vielen jungen Menschen im Iran außerordentlich beliebt; seine Texte erfreuen sich in der iranischen Popkultur hoher Wertschätzung. Hafis ist Teil des reichen iranisch-muslimischen Erbes und gehört zum literarischen Kanon; er ist für den herrschenden konservativen Klerus zugleich eine unbequeme Kultfigur, die prekär, aber zugleich sakrosankt ist.

Buchhinweise:

  • Johann Wolfgang von Goethe, „West-oestlicher Divan“, dtv
  • Hafis, Johann Christoph Bürgel, „Gedichte aus dem Diwan“, Verlag Reclam

Musik:

(Aladdin) Happy end in Agrabah aus: Aladdin/Film/Soundtrack von Alan Menken
Label: Polydor CD 5199072