Feiern ohne Familie

Der Ramadan hat begonnen, für viele eine gesegnete Zeit, die mit großer Freude verbunden ist. In diesen Wochen sollen sich Musliminnen und Muslime besonders bemühen, anderen Menschen zu helfen und an sich zu arbeiten. Das Essen und Trinken, Rauchen und Sexualität sind ihnen in dieser Fastenzeit von Beginn der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang untersagt.

Zwischenruf 26.4.2020 zum Nachhören (bis 25.4.2021):

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Besonders in der Nacht ist der Segen des Ramadan für mich wie zum Greifen spürbar. Für die Betenden, die sich ihrem Schöpfer anvertrauen, für seine Gnade danken und um Segen bitten - für sich und ihre Mitmenschen.

Ursula Fatima Kowanda-Yassin
ist Islamwissenschaftlerin, Erwachsenenbildnerin und Autorin

Heuer ist alles anders

Ramadan ist normalerweise Familie, Freunde: Einladungen und aufgeregtes Einkaufen vorher. Lachen beim gemeinsamen Abwasch nachher. Telefonate mit denen in der Ferne und aufgeregt durcheinander sprechende Stimmen. Ramadan war in den vergangenen Jahren Vorfreude auf das Gebet in der Moschee, die Stimme des Imam, die durch die Gänge klingt, das Echo der Betenden, wenn sie „Amen“ im Chor sagen. Kinder in Socken, die kichernd aber ehrfurchtsvoll auf weichem Teppich laufen, leuchtende Lichterketten.

Doch dieses Jahr ist der Ramadan anders. Kein großes Gemeinschaftsgebet oder Fest in der Moschee. So war es auch zu Ostern für Christinnen und Christen, so war es zu Pessach für Jüdinnen und Juden. Wir Menschen wollen Feste gemeinsam feiern, denn es ist am schönsten, Freude mit anderen zu teilen. Dieses Jahr kann ich meine Liebsten nicht in die Arme schließen; Gott sei Dank gibt es viele andere Möglichkeiten, um in Kontakt zu bleiben.

Zwischenruf
Sonntag, 26.4.2020, 6.55 Uhr, Ö1

Meinem Schöpfer kann ich immer und überall nahe sein und daher werde mich diesen Ramadan bewusst an die vielen Geschenke im Leben erinnern und dankbar sein. Dafür, dass wir es gut getroffen habe. Auch wenn es allgemein schwierig sein mag – für manche mehr als für andere - oder schmerzlich, für die, die um einen geliebten Menschen trauern, so sind wir hier in Österreich doch in Sicherheit, medizinisch und mit Nahrung gut versorgt. Ramadan soll eine Zeit sein, in der ich mir in Erinnerung rufe, wie wertvoll Familie und Freunde sind und dass auch das ein Geschenk ist, das nicht selbstverständlich ist.

Soziale Gerechtigkeit

Schön finde ich an dieser teils beängstigenden, nervenaufreibenden Zeit, dass es so viele Stimmen gibt, die dazu aufrufen, zusammenzuhalten und andere zu schützen. Gleichzeitig spüre ich einen Schmerz, denn dieses „Zusammenhalten“ bräuchten wir immer – nicht nur in Zeiten von Corona. Zusammenstehen gegen Ausgrenzung und Rassismus, zusammenhelfen für Benachteiligte, Kranke, Ältere. An einem Strang ziehen, wenn es darum geht, Umweltzerstörung zu stoppen, denn wir sitzen alle im selben Boot. Diese Krise hat gezeigt, dass vieles möglich ist und welche Freude Hilfsbereitschaft und Solidarität bringen.

Diesen Ramadan möchte ich dankbar sein, für alles, was ich als selbstverständlich sehe. Gott dankbar sein für die Gnade des Lebens. Dankbar für die Menschen, die so hart daran arbeiten, dass alles läuft. Ich werde für die bitten, die zu kämpfen haben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und mit dieser Situation zurecht zu kommen. Und ich werde mich so gut ich kann für soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt einsetzen.

Buchhinweis:

Ursula Kowanda-Yassin, „Öko-Dschihad. Der grüne Islam - Beginn einer globalen Umweltbewegung“, Residenz-Verlag