Leben nach dem Krieg - Leopold Figl

75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges. In dieser Woche – der Woche zwischen dem 75. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung Österreichs vom 27. April und dem 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation, widmen wir die ‚Gedanken für den Tag’ wichtigen Persönlichkeiten des Kriegsendes.

Gedanken für den Tag 8.5.2020 zum Nachhören (bis 7.5.2021):

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Heute möchte ich auf Leopold Figl eingehen, er ist einer der zentralen Protagonisten des Aufbruchs in die demokratische Zweite Republik.

„Wir haben nichts“

Im April 1945 aus mehrjähriger NS-Haft entlassen, hat die Rote Armee Figl für die Organisation der Lebensmittelversorgung Wiens eingesetzt. Kurze Zeit später hat er die Führung des Bauernbundes übernommen und ist im Herbst 1945 an die Spitze der neugegründeten ÖVP gerückt, die er in die erste Nationalratswahl nach Kriegsende am 25. November 1945 geführt hat. Die ÖVP erlangte die absolute Mandatsmehrheit und Leopold Figl ist am 21. Dezember 1945 zum ersten Bundeskanzler der Zweiten Republik angelobt worden.

Monika Sommer
ist Historikerin und Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich

Das Jahr 1945 im Leben von Leopold Figl steht aus heutiger Sicht im Schatten des Jahres 1955, besonders des 15. Mai, an dem der Staatsvertrag unterzeichnet wurde und Figl den Vertrag der jubelnden Menge vor dem Belvedere präsentierte, wir alle kennen das berühmte Foto von Erich Lessing. Den legendären Satz „Österreich ist frei“ hat Figl allerdings nicht am Balkon, sondern unmittelbar nach der Unterzeichnung des Vertrags im Inneren des Belvedere ausgesprochen.

Besonders im Ohr haben wir vor allem auch Figls Weihnachtsansprache vom Dezember 1945. „Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben, ich kann Euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann Euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich!“ Die Rede ist 1945 nicht für die Nachwelt aufgezeichnet worden, was 1965 aber nachgeholt worden ist. Ich frage mich, ob er wohl heute den Satz „Glaubt an dieses Europa“ ergänzen würde?

Musik:

Weller Quartett: „Menuetto. Allegretto - 3. Satz“ aus: Quartett für Streicher in F-Dur KV 590 „Preußisches Quartett Nr. 3“ von Wolfgang Amadeus Mozart
Label: Decca/Universal 4756796