Bibelessay zu 1 Petr. 4,13-16

„Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt,“ heißt es im ersten Petrusbrief. Ist das nicht eine Verherrlichung von Leid? Jahrhundertelang missbrauchten Autoritäten diesen Satz, damit Menschen sich in ihrem, durch andere zugefügten, Leid als ohnmächtige Opfer sahen. Dabei meinte der Verfasser dieser Zeilen doch etwas ganz anderes.

Der 1. Brief des Apostels Petrus wurde Ende des 1. Jahrhunderts in Rom verfasst. Sich zu Christus zu bekennen wurde damals mit dem Tod bestraft. Christen und Christinnen des 1. Jahrhunderts war bewusst, dass ihre Verehrung dieses Jesus Christus Widerspruch hervorrufen würde. Christus, „der Gesalbte“, steht dabei für den biblischen Hoheitstitel Messias und wird vor allem in Zusammenhang mit dem auferstandenen Jesus von Nazareth verwendet.

Magdalena Holztrattner
ist katholische Theologin und Sozialethikerin

Verfolgte Christen

Genauso wie die Christinnen und Christen des 1. Jahrhundert ist Jesus selbst bei den Autoritäten seiner Zeit auf Widerspruch gestoßen. Und die in seiner Nachfolge verfolgten Christinnen und Christen brauchten tröstende Worte, dass ihre Entscheidung und die damit verbundenen, leidvollen Konsequenzen Sinn haben. Petrus schrieb mit diesem Hintergrund an seine Glaubensgeschwister.

Aber heute? Gibt es heute Menschen, die verfolgt werden, weil sie Christinnen oder Christen sind? Hier kommt ein Mann ins Spiel, den ich Saied Johannes nennen will. Er hat sich zu Christus bekannt in einem Land, wo genau das mit tödlichen Strafen belegt ist. Als geborener Muslim war sich Saied Johannes bewusst, dass allein der Besitz einer Bibel mit großen Gefahren verbunden ist. Er entschied sich trotzdem dazu, weil ihm der Glaube an den Gott, wie ihn Jesus von Nazareth verkündet hat, mit so viel tiefer Freude und Sinn erfüllte. Weil die iranische Religionspolizei bei einer Hausdurchsuchung seine Bibel fand, musste er fliehen - ohne von seinen Lieben Abschied nehmen zu können.

Jahrelanger Anteil am Leiden

Auf der Flucht war er vielen Gefahren ausgesetzt. Grenzbeamte, Schlepper, aber auch das Durchqueren der Balkanländer im Winter waren bedrohlich für Leib und Leben. Endlich in Österreich angekommen war Saied Johannes noch lange nicht in Sicherheit. Sein Bekenntnis zum Christentum und die Konsequenzen, die diese Entscheidung in seinem Heimatland bedeuteten, wurden ihm von den österreichischen Behörden nicht geglaubt. Zwei Jahre, nachdem er in einem Flüchtlingsheim untergebracht worden war, wurde ihm der negative Bescheid auf seinen Asylantrag ausgestellt. Weitere zweieinhalb Jahre musste er warten, bis er seine Geschichte in einem stundenlangen Interview der Richterin des Verwaltungsgerichtshofs erzählen konnte.

Lebenskunst
Sonntag, 24.5.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Diese viereinhalb Jahre waren Jahre der Qual. Jahre der Ungewissheit! Ob er in seinem neuen Heimatland bleiben durfte? Oder ob er abgeschoben werden würde in seine alte Heimat, wo ihn der sichere Tod erwartete? Jahre des Leidens, die er wohl nur deshalb überlebte, weil ihn Menschen einer kleinen Pfarrgemeinde in ihre Mitte nahmen, ihn in ihr Herz schlossen und nach Kräften unterstützten.

In dem Moment, als Saied Johannes die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekam, wurde aus dem Leid große Freude: Wir begannen das österliche Halleluja zu singen und nicht nur den österreichischen Rechtsstaat, sondern auch den Gott Jesu zu loben. Und so getraue ich ihm als Schwester im Glauben zu sagen: Saied Johannes, weil Du wegen des Namens Christi beschimpft und verfolgt worden bist hast Du Anteil am Leiden Christi. Und Du bist seligzupreisen, denn Gottes Geistkraft wirkt in Dir, wie es im Petrusbrief geschrieben steht.