Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß

Zum 100. Todestag von Max Weber: Ein wohlgeordnetes politisches Gemeinwesen ist auf die moralische Integrität derer angewiesen, welche die Politik zu ihrem Beruf machen.

Gedanken für den Tag 17.6.2020 zum Nachhören (bis 16.6.2021):

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Auch wenn letztlich alle Bürgerinnen und Bürger politische Verantwortung tragen, kommt die moderne Demokratie nicht ohne Politikerinnen und Politiker aus, denen nicht nur auf Zeit Macht übertragen wird, sondern die Politik im Interesse der Allgemeinheit als Beruf ausüben und ihr Handwerk beherrschen.

Ulrich H. J. Körtner
ist evangelisch-reformierter Theologe

Zwei Arten von Todsünden

Politik als Beruf ist freilich ohne ein entsprechendes Berufsethos ebenso wenig denkbar wie der Beruf des Arztes oder auch der Beruf des Unternehmers. Der Begriff des ehrbaren Kaufmanns mag altmodisch klingen. In der Finanz- und Bankenkrise 2008 hatte er plötzlich wieder Konjunktur. Genauso braucht es moralisch integre Politikerinnen und Politiker und nicht etwa nur Technokraten der Macht. In der repräsentativen Demokratie kommt es eben nicht nur auf Parteien, sondern auf den Einzelnen, sein Gewissen, seine Charakterfestigkeit, Souveränität und sein persönliches Verantwortungsgefühl an.

Für Max Weber sind vornehmlich drei Qualitäten für einen guten Politiker entscheidend, und zwar Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Leidenschaft ist im Sinne von Sachlichkeit gemeint. Statt „steriler Aufgeregtheit“ ist der Dienst an der Sache gemeint, dem auch der persönliche Ehrgeiz und Eitelkeit unterzuordnen sind. Leidenschaft für die Sache macht die Verantwortlichkeit des Politikers „zum entscheidenden Leitstern“ seines Handelns.

Letztlich, so Weber wörtlich, „gibt es nur zwei Arten von Todsünden auf dem Gebiet der Politik: Unsachlichkeit und – oft, aber nicht immer, damit identisch – Verantwortungslosigkeit. Die Eitelkeit: das Bedürfnis, selbst möglich sichtbar in den Vordergrund zu treten, für den Politiker am stärksten die Versuchung, eine von beiden, oder beide zu begehen.“

Musik:

Karl Leister/Klarinette und Prazak Quartett: „Menuetto, Trio - 2. Satz“ aus: Quintett für Klarinette, 2 Violinen, Viola und VC in c-moll op. 4 von Bernhard Henrik Crusell
Label: Orfeo C 141 861 A