Gottesbildergalerie – Panentheisten

Pantheisten sagen: Alles ist Gott. Panentheisten hingegen: Alles ist in Gott. Und auch umgekehrt: Gott ist in allem.

Die große Seherin des Mittelalters, Hildegard von Bingen, hatte eine grandiose Gottesvision. Diese hat sie in ein Bild gebracht. Dabei ragt das Haupt Gottes aus dem Bild heraus. Es sprengt jeden Rahmen. Dann sieht man im feurigen Rot Christus mit einem riesigen göttlichen Bauch. In diesem spielt sich die Schöpfung ab, gekrönt durch einen vollendeten Menschen, ähnlich jenem des Leonardo da Vinci mit den vollendeten Proportionen.

Paul M. Zulehner
ist Theologe und Religionssoziologe

großer gott klein

Die Frau sah also einen mit der Schöpfung schwangeren Gott. Diese werde bei ihrer finalen Geburt die vollendete Gestalt des Menschensohnes haben. „Auf ihn hin ist alles erschaffen!“, heißt es im Kolosserhymnus, einem Gesang der Christen der Frühzeit. Am Ende werde Gott alles in allem sein (1 Kor 15,28). Panentheisten beantworten so nicht nur die Frage, woher die Schöpfung stammt, sondern worauf sie hinausläuft.

Lebenskunst
Sonntag, 28.6.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Für Panentheisten lassen sich Gott und Welt nicht trennen, auch wenn sie nicht gleich sind. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, predigte der Europaapostel Paulus den skeptischen Griechen am Marktplatz in Athen. Gott ist fern und nah zugleich, fernnah gleichsam. Er ist verborgen in allem, was ist, in den Quanten, im unermesslichen Weltall, in jedem Menschen. Seine bevorzugten Verstecke sind das große Leid und die große Liebe. Sein schöpferischer Geist der Liebe ist die treibende Kraft der Evolution, so der große Paläontologe und Theologe Teilhard de Chardin. In einer Sure des Qu’ran heißt es: Allah ist uns näher „als Hemd und Halsader“ (Qu’ran, Sure 50,16). Der große Theologendichter Kurt Marti griff in einem seiner berührenden Gedichte dieses Zitat auf:

großer gott klein
großer gott:
uns näher
als haut
oder halsschlagader
kleiner als herzmuskel
zwerchfell oft:
zu nahe
zu klein – wozu
dich suchen?
wir: deine verstecke