„Träume mich, Gott!“

Dass Menschen von der „Traumfrau“ oder dem „Traummann“ reden, ist nichts Neues und vermutlich so alt wie die Menschheit selbst.

Gedanken für den Tag 1.7.2020 zum Nachhören (bis 30.6.2021):

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Doch als Theologe frage ich mich manchmal: Hat auch Gott so seine Träume? Davon steht zwar nichts in der Bibel. Aber die 2003 verstorbene evangelische Theologin und Dichterin Dorothee Sölle hat diesen Gedanken in einem wunderbaren Buch aufgegriffen: “Träume mich, Gott”. Die Idee dahinter finde ich faszinierend: Ich bin das, was Gott sich erträumt. Ich Mensch bin der Traum Gottes. Ich als Mensch bin nach seinem Ebenbild gemacht – nicht umgekehrt.

Jeder Mensch - ein Traum Gottes

Für Sölle hat dieses Gottesbild aber nicht primär Konsequenzen für das eigene Selbstwertgefühl. Vielmehr geht es ihr um den größeren Kontext. Der Untertitel ihres Buches heißt: „Geistliche Texte mit lästigen politischen Fragen“. Wenn, einmal angenommen, jeder Mensch ein solcher Traum Gottes ist – welches Recht habe ich dann, andere Menschen zu erniedrigen?

Johann Pock
ist katholischer Theologe und Priester

Mit ihren Träumen war und ist Sölle eine Prophetin. Ihr ist es darum gegangen, Jesu Rede vom Reich Gottes und von der Gerechtigkeit Gottes konkret im Hier und Jetzt umzusetzen. Sie hat sich gegen ein oft gottloses Wirtschaftssystem gewandt, das bei voller Konzentration auf Gewinnmaximierung häufig den Menschen aus dem Blick verliert.

Und gerade ihr, die von solchen Träumen gesprochen hat, war das Reden zu wenig. sie forderte auch den Mut zum Handeln. Damit hat sie angeeckt – und gleichzeitig gewusst, dass sie ihre Kirche verändern muss. So z.B., als sie geschrieben hat – 1968, und durchaus im damaligen Sprachstil: „In den alten Büchern steht, was fromm ist: sich aus dem Streit der Welt halten, … die Bibel lesen, … den Katechismus lernen, sich an die Kirche halten, Gott loben …. Alles dies kann ich nicht. Es geht nicht mehr.“

Ihre Träume haben sie selbst verändert und ihre Frömmigkeit. Dahinter stand ihr Selbstbewusstsein: an einen Gott zu glauben, der jeden einzelnen Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat. Jeder Mensch – ein Traum Gottes. Die Realisierung dieser Vision würde auch heute die Gesellschaft verändern – hin zu mehr Menschlichkeit.

Buchhinweise:

  • Dorothee Sölle, „Loben ohne Lügen. Gedichte“, Verlag Fietkau
  • Dorothee Sölle, „Träume mich, Gott! Geistliche Texte mit lästigen politischen Fragen“, Verlag Hammer

Musik:

Penguin Cafe Orchestra: „Southern Jukebox Music“ von Simon Jeffes
Label: Virgin EEGCD 56 0777 7 87451 2 9