Eine große warme Pferdenase

Der Krankenwagen fährt mit quietschenden Reifen die Einfahrt herauf, als wäre es ein Notfall. Lachend steigt der Fahrer aus.

Zwischenruf 12.7.2020 zum Nachhören (bis 11.7.2021):

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„Es ist wunderschön, Amelie zu Ihnen zu fahren!“, sagt er, während er die Schiebetüre öffnet und ungeduldig ein kleiner kahler runder Mädchenkopf mit rosa Kopftuch erscheint. Ein Strahlen übers ganze Gesicht, die Hände bereits in Richtung Pferd – Atacama heißt es - gestreckt.

Roswitha Zink
ist Biologin, Therapeutin und Geschäftsführerin im Verein e.motion - Lichtblickhof

Ein langer Weg

Amelie hat einen Hirntumor und ist nach vielen Operationen, Bestrahlungen und Therapien zu schwach, um mit dem Rollstuhl zu kommen, aber das tut ihrer Freude keinen Abbruch. Sanft steckt die Stute ihren Kopf über das Krankenbett, noch während es aus dem Auto gezogen wird. Mit einem geschulten Griff heben die Mutter und die Pferdetherapeutin Amelie von der Krankenwagenbare in das eigens vorbereitete Krankenbett, das auch durch Matsch und Pferdestall geschoben werden darf.

„Es war ein langer Weg, die restliche Familie und die Ärzte zu überzeugen, dass diese Therapie Amelie hilft, dass Keime und Bakterien eines Stalles kein Risiko sind. Aber jedes Risiko lohnt Amelies tiefe Freude, jeder, der zweifelt, sollte einmal einer solchen Stunde beiwohnen. Ihr ganzer Lebensmut steckt in diesem flauschigen Pferd!“, sagt die Mutter. Amelie hat inzwischen den sanft gesenkten Kopf der großen Stute zwischen ihren Armen, legt ihre Stirn auf die des Pferdes, während es warme Luft auf ihren Bauch bläst. Sie gluckst und sieht mit leuchtenden Augen hoch… „DARF ich REITEN?“

Am Mitwoch wird in den USA der „I Love Horses Day“ begangen. Wir am Lichtblickhof lieben Pferde das ganze Jahr hindurch. Ohne sie könnten wir unsere Arbeit mit Kindern in schwierigen Situationen nicht leisten.

Zwischenruf
Sonntag, 12.7.2020, 6.55 Uhr, Ö1

E.motion Lichtblickhof

Wenn das Leben plötzlich stillsteht, sich alles verändert und man der einsamste Mensch der Welt ist… braucht man einen „sicheren Ort“. Das Gefühl, dass jemand gegen den Wind zu einem steht und man sich zumuten darf. Kinder, die durch besondere Herausforderungen wie (tödliche) Krankheit, Verlust eines wichtigen Menschen, Gewalt, Traumatisierung oder Behinderung aus der Bahn geworfen wurden, brauchen manches Mal, zu allererst, genau das nonverbale „Angenommen-Sein“. Das können wir professionellen Helfer weniger geben als die Tiere des Hofes!

Hoffnung und Vertrauen können wachsen und helfen, für neue Lebens-Übergänge Tragkraft zu entfalten: Zu wissen, dass es jemanden gibt, der einfach DA ist und trotz des schweren Gepäckes, das man mitbringt, nicht wegsieht. Zu spüren, nicht alleine zu sein, eine Hand gereicht zu bekommen oder von einer großen warmen Pferdenase angeblasen zu werden. Zeit zum Schweigen und Reden, zum Kauen, Verdauen, Schlucken und Weinen, aber auch für Momente, in denen das Gesicht einfach in der langen weichen Mähne vergraben werden darf. Hier liegt unsere Aufgabe: Wir vom e.motion – Lichtblickhof bieten Hilfe bei Trauma, Trauer oder Begleitung Schwerkranker mit Tieren an.

Religiöse Bezüge

Die Evangelien berichten davon, wie heilsam Zuwendung ist. Immer wieder ist da zu lesen, wie die Begegnung mit Jesus Menschen wieder heil gemacht hat. Das ist beeindruckend. Aber meiner Erfahrung nach ist die heilsame Begegnung nicht auf das Zusammentreffen von Mensch und Mensch beschränkt. Auch Tiere können mit ihrer Empathie und ihrer Kraft Wunderbares bewirken. Sie tun etwas für uns. Sie spielen ihre Rolle in Gottes Plan - vielleicht oftmals besser als wir Menschen das tun.

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