Was sollen Festspiele sein?

100 Jahre Salzburger Festspiele: Diese Frage bewegte die Gründer der Salzburger Festspiele in ihren Überlegungen für eine einmalige Salzburger Dramaturgie, als Hugo von Hofmannsthal 1919 seine Denkschrift Festspiele in Salzburg einbrachte.

Gedanken für den Tag 8.8.2020 zum Nachhören (bis 7.8.2021):

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So klar im Festspielplan die politische Botschaft formuliert war, Festspiele als Friedensprojekt nach dem 1. Weltkrieg, so vergleichsweise lapidar hieß es zur Dramaturgie: Oper, Konzert und Schauspiel, von allem das Höchste.

Epizentrum des Besonderen

Diese Formulierung stellte sich aber als Glücksfall heraus. Sie gab und gibt uns, den späteren Festspielverantwortlichen, programmatische Freiheit, allerdings bei höchstem Qualitätsanspruch. Die Kunst als Friedensbringer und die Qualität als Programm – diese zwei Gründungsideen haben uns durch die Jahrzehnte getragen.

Helga Rabl-Stadler
ist Präsidentin der Salzburger Festspiele

Die Salzburger Festspiele müssen nicht jedes Jahr neu erfunden werden, sie müssen jedoch immer wieder in eine neue Gegenwart geführt werden. „Ein Kunstwerk, das anregen, bewegen will, braucht die qualifizierte Ablehnung genauso wie die Zustimmung. (…) Kunst muss den geistigen Zustand ihrer Zeit spiegeln, Widerpart und Opposition sein“, brachte es Nikolaus Harnoncourt in seiner heute wie damals aufrüttelnden Festspielrede 1995 auf den Punkt.

Festspiele haben nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie ein Epizentrum des Besonderen sind, wie Intendant Markus Hinterhäuser es ausdrückt und programmatisch zu verwirklichen sucht. „Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken“, das fordert der Komponist Luigi Nono von der Kunst und hat damit bei den Festspielen die wichtigste Interpretation seines Werks weltweit gefunden. Auch dank unseres Publikums. Denn die Festspiele sind, wie das Bazon Brock, Professor für Ästhetik, ausgedrückt hat, eine Begeisterungsgemeinschaft. Weil bei den Festspielen seit 100 Jahren alljährlich wieder eine einzigartige Form von gemeinsamem Erleben entsteht, die Menschen verschiedener Herkunft, Sprache und Religion eint. Eine Begeisterungsgemeinschaft für die Kraft der Kunst – auch oder gerade in Zeiten der Krise.

Link:

Ö1-Schwerpunkt: 100 Jahre Salzburger Festspiele

Musik:

Ricardo Requejo/Klavier und Thomas Friedli/Klarinette: „Zart und mit Ausdruck“ aus: 3 Fantasiestücke für Klavier und Klarinette op. 73 von Robert Schumann
Label: Claves 508201