Bibelessay zu Matthäus 16,13-20

Ich bin gerne in den Bergen unterwegs. Dort oben spüre ich das Leben freier und direkter. Der Himmel ist näher, die Luft ist klarer, die Blumen leuchten stärker, die Erdbeeren schmecken intensiver, die Stille ist größer, der Horizont meist viel weiter als im Tal.

Ich mag es, auf Felsen zu gehen, wenn der Bergschuh mit dem Stein in Reibung geht und auch in der Steigung dem Fuß Halt gibt. Auf Felsen zu gehen gibt Sicherheit. Wenn der Fels hält, dann fühle ich mich getragen und kann den Berg erklimmen - Schritt für Schritt.

Magdalena Holztrattner
ist Theologin, Sozialethikerin, Coach und Leiterin der Katholischen Sozialakademie Österreichs

Nichts Menschliches ist ihm fremd

Diese Bilder vom Felsen beim Bergsteigen kommen in mir hoch, wenn ich diese Bibelstelle höre: Simon, der seit längerer Zeit mit diesem Jesus aus Nazareth herumwandert, er wird von Jesus mit einem Felsen verglichen. Er ist ein Fels, der die Gemeinde der Gläubigen, der die Kirche trägt. In dieser Zuschreibung Jesu steckt viel Kraft, Stärke und Zutrauen. Vielleicht aber auch Überforderung und Schwere – so ein Fels für andere zu sein oder sein zu müssen, ist nicht immer leicht. Wer ist aber dieser Simon, der als Petrus die Geschichte des Christentums mitgeprägt hat?

Simon Petrus ist vielgestaltig, bunt – in seinem Mut und in seiner Feigheit. In seinem Bekenntnis und in seinem Verrat. Wer ihn sieht, kann auch die Herzensbindung sehen, die er mit Jesus hat. Dieser Petrus, der einfach und spontan ist, der manchmal unüberlegt handelt und sich auch Hals über Kopf für diesen Jesus einsetzt – den muss man einfach gern haben, finde ich.

„Weg von mir, Satan!“

Der spontane und unüberlegte Petrus: Ich erinnere mich an die Szene, wo Petrus Jesus am Ufer des Sees beim Kohlenfeuer stehen sieht. Sobald er kapiert, dass dieser Mann am Ufer sein geliebter Jesus ist, wirft er sich ins Wasser und schwimmt ans Ufer. Oder bei der Szene am Ölberg, wo Jesus verhaftet wird: Petrus überlegt nicht lange, sondern haut einem der Soldaten mit dem Schwert ein Ohr ab, um seinen Meister zu verteidigen.

Lebenskunst
Sonntag, 23.8.2020, 7.05 Uhr, Ö1

Oder der Petrus, der nicht kapiert, worum es Jesus eigentlich geht. Gleich im Anschluss an diesen Evangelienabschnitt wird erzählt, dass Petrus sich Jesus in den Weg stellen will. Da weist ihn Jesus zurecht: „Weg von mir, Satan!“ Der Satan, von dem in der Bibel erzählt wird, ist der Widersacher, der sich gegen den Willen des Gottes der Bibel stellt. In diesem Falle wird Petrus als Satan bezeichnet, weil er zwar das Leiden Jesu und seine Hinrichtung kommen sieht, ihn aber davon abhalten will nach Jerusalem zu gehen und gekreuzigt zu werden. Und dort in Jerusalem, am Vorabend der Kreuzigung, ist es Petrus, der seinen Herrn und Meister öffentlich verrät und im Stich lässt.

Ein Fels für die Gläubigen

Oder der Petrus, der frei und aus dem Herzen formuliert, was die anderen Jünger und Jüngerinnen vielleicht nur denken: In diesem Jesus von Nazareth sieht er den Sohn Gottes, den lange ersehnten Messias, den Christus und Erlöser.

Oder der mutige Petrus: Zu Pfingsten, lange nachdem sein geliebter Jesus (gehängt und) grausam umgebracht worden ist, überwindet Petrus seine Angst und hält eine flammende Rede vor vielen Menschen. Und noch einige Zeit später wird er in Rom für seinen Glauben an Jesus ans Kreuz genagelt.

Dieser Petrus, wenn man ihn in seiner Buntheit, mit seinen vielen Charakterzügen, in seiner Breite an Reaktionsweisen betrachtet: Man kann nicht anders als ihn gerne haben, meine ich. Als Fels, der für die Gemeinschaft der Gläubigen so wichtig geworden ist. In seinem Mut genauso wie trotz seiner Feigheit, in seiner Leidenschaft und in seiner Spontaneität genauso wie in seiner großen Liebe zu diesem Jesus von Nazareth und in den Konsequenzen, die das für sein Leben gehabt hat.