Der Klügere gibt nach

Der Klügere gibt nach, sagt das Sprichwort. Kompromisse zu machen, hat dennoch im Deutschen nicht immer einen guten Klang. Lieber mich durchsetzen als bloß klug sein. Abstriche machen und dem anderen entgegenkommen, klingt für viele schon nach Niederlage.

Gedanken für den Tag 12.9.2020 zum Nachhören (bis 11.9.2021):

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Dazu scheint zu passen, dass das Verb „kompromittieren“ auf Deutsch „bloßstellen“ bedeutet, beziehungsweise „dem eigenen Ansehen oder dem eines anderen schaden“. Kompromisse kompromittieren, schaden dem Ansehen?

Veronika Prüller-Jagenteufel
ist theologische Referentin in der Caritas St. Pölten und Seelsorgerin für Demenzkranke

Gleiche Rechte für alle

Man kann das lateinische „compromittere“ auch anders deuten. Es kommt aus dem juristischen Sprachgebrauch und heißt dort: „sich gegenseitig versprechen, die Entscheidung einer Sache einem Schiedsrichter zu überlassen“. Dass sich im Laufe der Zeit die Bedeutung verändert hat und eine Kompromittierung peinlich wurde, könnte ja auch anzeigen, dass eher die, die sich nicht einigen können, an Ansehen verlieren. So gesehen wäre das Schließen eines guten Kompromisses nicht nur klug, sondern eine Ehre.

Als christliche Theologin frage ich mich zudem, ob in diesen Anklängen im Wortfeld des Kompromisses nicht auch eine alte, letztlich religiöse Erkenntnis steckt: Es hilft dem Miteinander, wenn Menschen sich gemeinsam unter eine übergeordnete Autorität stellen. Dadurch bekommt die gegenseitige Anerkennung des gemeinsamen Menschseins bessere Chancen – und die ist ja die Basis für gleiche Würde und gleiche Rechte für alle, die von einer Frau geboren wurden. Erst auf dieser Basis sind gute Kompromisse überhaupt möglich.

In meinem Glauben ist dieser oberste Richter über menschliches Handeln der gute und gerechte Gott Jesu Christi. Das Vertrauen auf ihn kann es leichter machen, auf eigene Siege zu verzichten, Kompromisse einzugehen und durchzuhalten und dafür Verantwortung zu übernehmen. Und das braucht es, damit Demokratie und Zusammenleben gelingen.

Musik:

Gervase de Peyer/Klarinette und Gwenneth Pryor/Klavier: „Rasch und mit Feuer“ aus: 3 Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 73 von Robert Schumann
Label: Chandos 8506