Der Apfel und der Fall

Seit Generationen spekulieren weise Menschen darüber, welche Frucht wohl der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse getragen haben könnte, den Adam und Eva genossen, um sich damit gleichsam die Erbsünde einzuverleiben.

Gedanken für den Tag 17.9.2020 zum Nachhören (bis 16.9.2021):

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Die alten Lateiner verfielen auf den Apfel, vielleicht wegen der Wortgleichheit, malum, Apfel und malum, das Böse. Andere meinten, den Feigenbaum herausinterpretieren zu können, aus dem Feigenschurz, der danach kam. Etwas ausgefallener ein altösterreichischer Versuch, die Tomate als absolute Versuchung an den Paradies-Baum zu hängen, als Paradeiser.

Oliver Tanzer
ist Wirtschaftsjournalist bei der „Furche“ und Autor

Systemkater macht kein Kopfweh

Eine rabbinische Auslegung, die Baruch Apokalypse, hat eine noch eigenwilligere Deutung geboren, und ich bitte an dieser Stelle alle Winzer wegzuhören. Der Sündenbaum soll ein Weinstock gewesen sein und die fatale Frucht die Trauben. Zitat: Das ist der Weinstock, den der Satan gepflanzt hat, worüber Gott so zornig war. Und er verfluchte ihn und sein Gewächs, verbot dem Adam deshalb, daran zu rühren. Darum verführte ihn der Teufel aus Neid durch seinen Weinstock“.

Das klingt reichlich kurios, passt aber andererseits nicht schlecht. Denn der Weintrunkene teilt die Welt sehr gerne in Schwarz und Weiß, kennt im Dusel nur noch beste Freunde oder schlimmste Feinde. Im Rausch also unterscheidet er besonders gerne und streng in Gut und Böse und er besteht dabei in alkoholischer Selbstüberschätzung darauf, recht zu haben. So liegt in der Baruch Apokalypse kein geringer Teil an Weisheit und auch Witz.

Diese Geschichte ist Jahrhunderte alt. Aber man kann ihren Scherz noch weiter treiben bis in die allerjüngste Moderne. Das Immer-mehr-wollen des Weintrinkers passt ja auch nicht so schlecht zum Immer-mehr-wollen der Schöpfungsüberforderungs-Gesellschaft. Tatsächlich verbrauchen wir jährlich ein Drittel mehr Rohstoffe, als nachhaltig regenerierbar wäre. Und so wie zum Rausch der Kater gehört, also die vollkommene Erschöpfung, so gehört die Erschöpfung auch zur exzessiven Ausbeutung des Planeten. Leider gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Kater vom Wein und dem Systemkater: Der Systemkater macht viel zu wenigen Menschen Kopfweh.

Buchhinweise:

  • Tomas Sedlacek, Oliver Tanzer, „Lilith und die Dämonen des Kapitals. Die Ökonomie auf Freuds Couch“, Carl Hanser Verlag
  • Oliver Tanzer, „Animal Spirits. Wie und Fledermäuse, Pantoffeltierchen und Bonobos aus der Krise helfen“, Verlag Molden

Link:

Ö1-Schwerpunkt: Mutter Erde

Musik:

„Sone otro mundo“ von Manu Chao
Label: Because Music/Warner Music 2564698116