Praxis – Religion und Gesellschaft 2.9.2020

Religion ohne Gott

Themen: Atheismus; Film „Corpus Christi“; Rassismus in Österreich

Atheismus als Religion

Eine atheistische Religion – ein Widerspruch in sich? Nein, sagt die „Atheistische Religionsgesellschaft“ in Österreich. Der Verein hat nach jahrelangen Bemühungen Ende 2019 einen Antrag auf Eintragung als religiöse Bekenntnisgemeinschaft gestellt und sieht die eigene Glaubensgemeinschaft – im Gegensatz zur „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ – durchaus nicht als satirisches Projekt, sondern als „kulturellen Raum, in dem existenzielle Fragen gestellt werden können“.

Praxis
Mittwoch, 2.9.2020, 16.05 Uhr, Ö1

Das ferne Ziel: Die Gleichbehandlung mit der römisch-katholischen Kirche – wenn es etwa um die Mitsprache bei ethischen Fragen geht oder um Religionsunterricht, aber auch um steuerliche Vorteile. Der Ball liegt nun beim Kultusamt, die Entscheidung soll noch diesen Herbst getroffen werden. Mariella Kogler hat Vertreter der Atheistischen Religionsgesellschaft bei ihrem Infostand auf der Wiener Mariahilfer Straße besucht und mit der Religionswissenschaftlerin Astrid Mattes gesprochen.

Der Priester, der keiner war – Über den Film „Corpus Christi“

Ein Ex-Häftling gibt sich in einem Dorf als Priester aus und kommt mit seinem ungewöhnlichen Stil gut an. Der Film „Corpus Christi“ des polnischen Regisseurs Jan Komasa, der derzeit in den österreichischen Kinos läuft, beruht auf einer wahren Begebenheit: 2011 gab sich der damals 19-jährige Pole Patryk Bledowski in einem Dorf als Priester aus, feierte etwa drei Monate lang auf unkonventionelle Art Messen, nahm die Beichte ab und organisierte Aktivitäten für Jugendliche. Wo ihm die Tätigkeiten eines Geistlichen nicht vertraut sind, improvisiert er, geht mit viel Einfühlungsvermögen und Empathie ans Werk – gerade, weil er viel vom Leben weiß, die dunklen Ecken der Seele kennt.

Der über weite Strecken in fahles Licht getauchte und düster gehaltene Film erhielt bei der Verleihung des Polnischen Filmpreises 2020 elf von 15 möglichen Auszeichnungen und wurde für den Oscar als bester ausländischer Spielfilm nominiert. Nicht zuletzt zeigt er auch die Autorität der katholischen Kirche in Polen: Längst hat der Kapitalismus den Kommunismus abgelöst, aber Daniel als Pfarrer Tomasz hat in gewisser Weise die größte Autorität. – Gestaltung: Brigitte Krautgartner

„Ich dachte, ich bin hier zu Hause“ – Rassismus in Österreich

„Mit meiner Mama auf den Straßen unterwegs zu sein und blöde Kommentare zu erhalten und als Kind sich dann zu überlegen: ‚Warum passiert das gerade? Ich dachte, wir sind doch hier zu Hause? Was meinen die da?‘“, beschreibt die muslimische Fotografin Asma Aiad eine frühe Kindheitserinnerung. Auch die Schwarze Journalistin Imoan Kinshasa hat früh die Erfahrung gemacht, dass ihre Hautfarbe offenbar nicht einmal in die Märchen-Aufführung ihrer Volksschulklasse passt: „Ich wollte das Schneewittchen spielen und hab mich dann gemeldet und die Antwort der Lehrerin war so: ‚Nein das geht nicht wegen der Hautfarbe‘.“

Buchhinweis:
Melisa Erkurt, „Generation Haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“, Zsolnay Verlag

Das Magazin biber berichtet seit mittlerweile 14 Jahren direkt aus der multiethnischen Community heraus. Nach eigenen Angaben sorgt dort „ein Haufen junger, ambitionierter Journalistinnen und Journalisten mit türkischen, bosnischen, serbischen, kroatischen, kurdischen, brasilianischen, kärntnerischen, oberösterreichischen, slowenischen, und soweiter -ischen Hintergrund für authentische Berichte“. Und biber schult in seiner „Akademie“ auch junge Journalistinnen und Journalisten darin, die Vielfalt der in Österreich lebenden Menschen besser darzustellen.

Lange für das biber geschrieben hat etwa die ORF-Journalistin Melisa Erkurt, die mit ihrem vor kurzem veröffentlichten Buch „Generation Haram – Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben“ Diskussionen zum Thema Schule und Kinder mit sogenanntem „Migrationshintergrund“ angestoßen hat. Hier wachse eine Generation ohne Sprache und Selbstwert heran, der keiner zuhört, weil sie sich nicht artikulieren kann und der es auch an entsprechenden Vorbildern mangle, so Erkurts Befund. Auch die junge Journalistin Jara Majerus ist Absolventin der Biber-Akademie und hat im Rahmen ihres Journalismus-Studiums an der FH Wien ihrer Bachelorarbeit über die Darstellung ethnischer Minderheiten in Massenmedien geschrieben. Dazu hat sie auch einen Radiobeitrag gestaltet, in dem sie vor allem von Rassismus Betroffene selbst zu Wort kommen lassen wollte.

Moderation: Alexandra Mantler

Praxis 2.9.2020 zum Nachhören (bis 1.9.2021):