Zwischenruf 1.11.2020, Karin Weiler

Alle Heiligen

Allerheiligen und Allerseelen feiern bedeutet für mich, mich an die vielen Menschen erinnern, die eine heilsame Rolle in meinem Leben gespielt haben, dankbar in Verbindung sein und gestärkt das Leben zu feiern.

Mit den Verstorbenen kann ich in fortdauernden Bindungen leben. Längst überholt sind in der neueren Trauerforschung die Appelle an Hinterbliebene, sie sollen ihre Verstorbenen endlich loslassen. Nach William Worden ist die Aufgabe in der Trauer, den Verstorbenen emotional einen neuen Platz im Leben einzuräumen und das eigene Leben weiterzuleben.

Karin Weiler
ist Schwester der Gemeinschaft Caritas Socialis

Gar nicht große Heilige

In meiner Schulzeit habe ich rund um Allerheiligen immer von den großen Heiligengestalten gehört: Franziskus und Theresa von Avila, Don Bosco und andere. Erst später hab ich entdeckt, dass es um die gerade nicht geht bei diesem Fest aller Heiligen. Gemeint sind nämlich eigentlich die, die nicht schon im Kalender ein eigenes Fest haben, von denen keine großen Geschichten erzählt werden.

Eine Begleiterin in den stillen Tagen der Exerzitien hat mich auf eine kleine Anmerkung aufmerksam gemacht: „sich der Heiligen bewusst zu sein, die für mich eintreten“. Plötzlich sind mir durch diese kleine Anregung eine Reihe von Menschen eingefallen, die mir einen Geschmack der Liebe Gottes vermittelt haben. Und das waren eben gar nicht große Heilige. Der Himmel meiner Heiligen war plötzlich voll. Und – wie es ja in dem Text zugesagt war – sie hatten weiter Bedeutung für mich, ja sie traten für mich ein.

Heilige aus allen Kirchen

Ich hatte all ihre Gesichter und Eigenarten ganz lebendig vor Augen. Da waren auch Menschen, die sich bestimmt selbst gar nicht als heilig gesehen haben. Mein Opa zum Beispiel – absolut kein Kirchgänger. Er hatte so einen guten, wertschätzenden und förderlichen Blick für mich als seine Enkelin. Er hat in meinen ersten Lebensjahren sicher viel Heilsames grundgelegt. Meine Mutter fällt mir ein – mit ihrer ausdauernden, ausgleichenden und Menschen verbindenden Art.

Zwischenruf
Sonntag, 1.11.2020, 6.55 Uhr, Ö1

Natürlich finden sich auch bekannte Heilige in meinem inneren Heiligenregister, wie Hildegard Burjan mit ihrem Mut, sich als Frau ganz in die Zeit zu stellen und in sozialen Fragen auch politisch Stellung zu beziehen. Auf meiner Liste finden sich auch große Persönlichkeiten anderer Kirchen: Ohne sie für Allerheiligen vereinnahmen zu wollen, gehören ein Dietrich Bonhoeffer und Dorothee Sölle durchaus dazu.

Ein Beitrag für die Welt

In meiner Gemeinschaft, der Caritas Socialis, habe ich gelernt, mich verbunden zu wissen mit denen, die vor mir Caritas Socialis gelebt haben. Starke Frauen wie meine Mitschwestern Hildegard Teuschl mit ihrem Pioniergeist in der Hospizbewegung, ohne die ich nicht in der Erwachsenenbildung tätig wäre und Sr. Elia, die ich gar nie selber kennengelernt habe, die in der Phase der Erneuerung der Gemeinschaft so mutige Schritte gesetzt hat.

Manche sind wie Vorbilder und Leitsterne. Mit manchen stehe ich in innerem Kontakt. Manchmal mischen sie auch heute noch mit, kommen zum richtigen Zeitpunkt in meine Gedanken und Träume, sprechen mir einen Lebenssatz zu, geben Orientierung. Eine verstorbene Mitschwester, mit der ich lange zusammengelebt habe, meldet sich öfters mit ihrer Begeisterung und ihrer Ermutigung: „Lass dich nicht unterkriegen!“ Dankbar stell ich mich in ihre Gemeinschaft und weiß mich noch heute reich beschenkt. Ich bin überzeugt: In jedem Menschen ist von Anfang an etwas ganz Herrliches, Heiliges, Heilsames, ein Beitrag für die Welt angelegt.