Mittwoch, 6.1.2021, Wolfgang Palaver

Weisheit des Ostens

Die Weisen aus dem Osten – sie stehen im Zentrum des heutigen Feiertags.

Am heutigen Feiertag gedenken wir einer biblischen Geschichte, die vom Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland berichtet. Was können wir mit der Weisheit des Ostens verbinden? Ich möchte dazu an Briefe des protestantischen Theologen Dietrich Bonhoeffer erinnern, die er in den Jahren 1934/1935 aus London schrieb. Im Blick auf den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland sah er das westliche Christentum im Niedergang und hoffte daher, vom „Osten“ lernen zu können. Bonhoeffer betonte, dass das Christentum „orientalischer Herkunft“ sei und dass „in dem dortigen ‚Heidentum‘ vielleicht mehr christliches steckt als in unserer ganzen Reichskirche“.

Wolfgang Palaver
ist Präsident von Pax Christi Österreich und Sozialethiker an der Universität Innsbruck

Weihrauch, Gold und Myrrhe

Worin aber sah er eine Weisheit des Ostens? Bonhoeffer hoffte, den Unabhängigkeitskämpfer Gandhi in Indien besuchen zu können, um dessen aktive Gewaltfreiheit kennenzulernen. Mit Gandhis Hilfe könnte damit auch die Bergpredigt Jesu besser verstanden werden. Bonhoeffers Reise nach Indien kam nie zustande, aber die Christen haben in den Jahrzehnten seither durch diese Weisheit des Ostens einen besseren Zugang zur Bergpredigt gefunden.

Jesus lehrte in seiner Bergpredigt eine aktive Form des Widerstands gegen Ungerechtigkeit, die sowohl die passive Gleichgültigkeit überwindet als auch die bloße Spiegelung der gewaltsamen Unterdrückung verhindert, die nur die Spirale der Gewalt weiterdreht. Gewaltfreiheit so wertvoll wie Weihrauch, Gold und Myrrhe.