Freitag, 8.1.2021, Wolfgang Palaver

Zusammenleben in der Welt

Wer eine Familie hat, weiß: Nicht immer geht es unter Geschwistern friedlich zu – und doch ist genau das von entscheidender Bedeutung. Vom Frieden unter Geschwistern spricht jetzt auch Wolfgang Palaver.

Papst Franziskus betont immer wieder, wie wichtig die Geschwisterlichkeit für unsere Welt ist. Mehrere Botschaften zum Weltfriedenstag haben die Bedeutung der Brüderlichkeit, die wir im Deutschen besser mit Geschwisterlichkeit benennen, hervorgehoben. Ausdrücklich zielt er damit auch auf ein geschwisterliches Verhältnis zwischen den Religionen.

Wolfgang Palaver
ist Präsident von Pax Christi Österreich und Sozialethiker an der Universität Innsbruck

Große Herausforderung

Besonders wichtig war in dieser Hinsicht das „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“, das Papst Franziskus 2019 gemeinsam mit dem Kairoer Großimam Ahmad Al-Tayyeb veröffentlichte. In seiner jüngsten Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ weist er mehrfach auf dieses Dokument hin, weil er in seinem Eintreten für Geschwisterlichkeit bewusst auch das geschwisterliche Miteinander von Christen und Muslimen stärken will.

Tatsächlich betont nicht nur die christliche Tradition die Geschwisterlichkeit, sondern auch der Islam. Ein islamischer Freund und Theologe hat mich auf entsprechende Verse im Koran hingewiesen. In Sure 49,10 heißt es beispielsweise: „Siehe, die Gläubigen sind ja doch Brüder. So schlichtet zwischen euren beiden Brüdern! Und fürchtet Gott! Vielleicht findet ihr Erbarmen.“ Diese Stelle betont die Geschwisterlichkeit zwischen den Gläubigen verschiedener Religionen. Im zweiten Satz wird gleich auch auf den Streit zwischen Kain und Abel angespielt und damit die Geschwisterrivalität angesprochen, die erklärt, warum die Geschwisterlichkeit für uns eine so große Herausforderung ist.