Freitag, 15.1.2021, Robert Streibel

Männer und Frauen

Zum 80. Todestag von James Joyce. Nicht nur in Zeiten des großen I und des Sternchens ist es wichtig, nach dem Personal des „Ulysses“ zu fragen. Wie viele Männer und wie viele Frauen kommen denn da vor?

Der erste Blick fällt eindeutig aus, viele Männer, gut angezogen oder nachlässig gekleidet, verschwitzt oder wohlriechend, auf alle Fälle ist fast immer Alkohol im Spiel. Sie sind nüchtern oder betrunken, sondern auf alle Fälle viele Gedanken ab, kluge und banale. Die Frauen sind zu Hause oder sie sitzen am Strand und werden beobachtet oder fixiert, sie sind Briefpartnerinnen oder eben Huren.

Robert Streibel
ist Historiker und Direktor der Volkshochschule Hietzing

Feiertag für die Literatur

Also, das Urteil ist eindeutig. Vielleicht müsste es noch eine Untersuchung geben, wer dieses Buch tatsächlich liest. Wirklich nur Männer, die sich dann in Verbundenheit an Leopold Bloom in der Früh Nierchen braten? Doch halt! Bevor wir das Urteil sprechen, ein wichtiger Hinweis. Es gibt zumindest eine weibliche Leserin des „Ulysses“, die alle kennen: Marylin Monroe. Suchen sie nach dieser Sendung nach dem Foto, das sie im quergestreiften Badeanzug auf einem Kinderspielplatz zeigt, den „Ulysses“ lesend.

Nein, sie hat nicht bloß mit diesem Buch posiert. Der Roman wurde ihr nicht für diesen Anlass von Arthur Miller in den Schoß gelegt, wie es immer wieder kolportiert wird. Sie hat Joyce gelesen und über ihre Lektüreerfahrung auch berichtet. Wer genau hinsieht, der bemerkt, dass sie den Schluss studiert. Und der Mund bleibt ihr offen. Kein Wunder, denn bei James Joyce hat Leopolds Frau Molly das letzte Wort in diesem Roman. Über mehr als 80 Seiten ohne Punkt und Beistrich. Und das hat Monroe fasziniert.

Der Roman endet mit Molly und begonnen hat alles an dem Tag, an dem Joyce seine spätere Frau Nora Barnacle zum ersten Mal getroffen hat. In Erinnerung an diese Begegnung hat er den 16. Juni 1904 zum Feiertag für die Literatur gemacht. Wenn das nicht romantisch ist?

Buchhinweis:

James Joyce, „Ulysses“, Anaconda Verlag

Musik:

The Pogues: „Love you till the end“ von Darryl Hunt
Label: WEA 0630112102