Montag, 18.1.2021, Brigitte Schwens-Harrant

Begegnung mit dem Bösen

Zum 100. Geburtstag von Patricia Highsmith. Patricia Highsmith war 29 Jahre alt, als sie 1950 ihren ersten Roman veröffentlichte. Für „Zwei Fremde im Zug“ bot ihr Alfred Hitchcock bereits kurz danach 6000 Dollar an. Er wollte den Roman verfilmen.

Doch das war gar nicht so einfach. Hitchcock kündigte dem Drehbuchautor Raymond Chandler und änderte viel für den Film. Aus dem Architekten Guy machte er einen Tennisspieler. Dadurch wurden aber wichtige philosphische Fragen eliminiert. Denn Highsmith hatte mit dem schöpferischen und kultivierten Architekten einen deutlichen Gegenpart zum Bösen gesetzt – und damit einen Gegensatz geschaffen, den sie im Verlauf der Handlung mehr und mehr zur Auflösung bringt.

Brigitte Schwens-Harrant
ist Literaturkritikerin, Buchautorin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung „Die Furche“

Ergebnisse beständiger Arbeit

Highsmith interessierte sich nicht so sehr für den – durchaus spannenden – Krimiplot. Ihre vor 45 Jahren verstorbene Autorenkollegin Agatha Christie verstand es, in fulminanten Finalen zur Aufklärung zu führen. Das Prinzip: Mord, Suche nach Mörder, Finden von Mörder und Festnahme, interessierte Highsmith aber „nicht im Mindesten“.

Was sie interessierte und welche Schreibweise sie faszinierte, hielt sie in ihren Notizbüchern fest. 1944 notierte sie, nachdem sie Franz Kafkas „Verwandlung“ gelesen hatte: „Geschichten von Angst und Entsetzen, physischem oder geistigem Schrecken, fantastischen, ungewöhnlichen Geschehnissen, physisch oder geistig, sind eindrucksvoller, wenn man sie in gewöhnlicher (aber ausgezeichneter) Sprache erzählt; als für die alltägliche Welt außergewöhnlich bleiben sie nur im Gedächtnis, wenn man sie in alltäglicher Sprache darstellt.“

Die zahlreichen literarischen Werke, die Patricia Highsmith hinterlassen hat, sind Ergebnisse beständiger Arbeit: redigieren, streichen, umschreiben. In reduzierter, fast nüchterner Sprache erzählt sie die ungeheuerlichsten Dinge über nichts Geringeres als den Menschen, die Schuld und das Böse.

Buchhinweise:

  • Patricia Highsmith, „Zwei Fremde im Zug“, Verlag Diogenes
  • Andrew Wilson, „Schöner Schatten. Das Leben von Patricia Highsmith“, Berlin Verlag

Musik:

Filmorchester unter der Leitung von Harry Rabinowitz: „Syncopes“ aus: DER TALENTIERTE MR.RIPLEY / Original Filmmusik von Gabriel Yared
Label: Sony Classical SK 51337