Zwischenruf 7.2.2021, Johanna Schwanberg

Humor in der Bildenden Kunst

Zu lachen gibt es derzeit nicht viel. Hierzulande und weltweit. Keine Faschingsumzüge, kein närrisches Treiben. Statt Karnevalsmasken prägen medizinische Schutzmasken das Stadtbild. Gerade deshalb ist es wichtig, den Humor nicht zu verlieren.

Meine Beschäftigung mit bildender Kunst entlockt mir immer wieder ein Schmunzeln, mitunter auch ein lautes Lachen. Humoristische Elemente waren in der Bildenden Kunst lange nicht besonders geschätzt. Offenbar schien es der Ernsthaftigkeit der Kunst abträglich zu sein, Komisches in den Vordergrund zu stellen. Nur wenigen Künstlern vergangener Jahrhunderte gelang es, in den Kanon der Hochkultur aufgenommen zu werden, obwohl Satire und Witz ihre Kunst entscheidend bestimmen. Einer von ihnen ist der französische Zeichner Honoré Daumier. Er fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Weil er ein politischer und gesellschaftskritischer Künstler war, der sich für Humanität und geistige Freiheit einsetzte – gegen die Unterdrückung der Armen.

Johanna Schwanberg
ist Direktorin des Dom Museum Wien

Beklemmend zeitgemäß

So versuchen in dem Blatt „Patent, Kapital, 3 Millionen“ zwei korrupte Geschäftsleute in Zylinder und Gehrock einen armen Straßenarbeiter und Analphabeten als Strohmann einzusetzen. Hinter ihm wollen sie versteckt Gewinne erzielen. Der mit wenigen lockeren Strichen gezeichnete Dialog zwischen den drei komisch dargestellten Männern, wie auch der sprachliche Kommentar am unteren Bildrand, sind humorvoll und dennoch ausgesprochen ernst.

Einerseits bringt mich die groteske Darstellung immer wieder zum Lachen. Zugleich bleibt mir dieses Lachen aufgrund der ungebrochenen Aktualität im Halse stecken. Gerade die Finanzkrise des vergangenen Jahrzehnts lässt viele von Daumiers Grafiken in Bezug auf maßloses Gewinnstreben, Bank- und Aktiengeschäfte beklemmend zeitgemäß erscheinen.

Der Esel im Engelschor

Humor begegnet einem in der Kunst aber auch jenseits von Satire und Karikatur. Oft sogar in der sakralen Kunst – wobei man meinen könnte, dass Humor da gar nicht passt. Stimmt aber nicht. Schließlich kennen viele aus ihrem eigenen Leben, wie sehr Ergriffenheit oft mit Lachen und Freude zusammenhängt. Ein Beispiel für versteckten Humor in sakraler Kunst findet man in dem Gemälde „Geburt Christi“ von Piero della Francesca. Es begeistert mich vor allem durch seine strenge Komposition und die Unsentimentalität, die den spirituellen Charakter erst recht betonen.

Zwischenruf
Sonntag, 7.2.2021, 6.55 Uhr, Ö1

Vor einer einfachen Hütte kniet Maria betend vor dem neugeborenen Jesuskind, das auf ihrem ausgebreiteten blauen Mantel liegt. Josef ist in tiefe Kontemplation versunken. Links neben Maria ein Engelschor, auf gleicher Höhe mit den Engeln der zu diesem Sujet gehörige Esel, der ebenfalls den Mund aufreißt und offenbar lautstark mitsingt. Dieser tierische Gesang erscheint zumindest aus heutiger Perspektive im Kontext der heiligen Szene komisch. Aber dieses kleine humoristische Element schmälert die feierliche Stimmung nicht: im Gegenteil. Es trägt als Teil einer überzeugenden Gesamtkomposition erst recht zur Glaubwürdigkeit bei.

Das Leben besteht eben nicht nur aus entweder oder. Ambivalenzen gehören zum Menschsein dazu. Die unterschiedlichsten Gefühle liegen nahe beieinander und manchmal ist der Humor auch das einzige, das einem eine berührende oder tragische Situation erträglich erscheinen lässt.

Hinweise zu den Werken:

  • Honoré Daumier, Patent, Kapital, 3 Millionen (Original: Brevet d’invention, capital 3 millions), 1838, Lithographie, 23,1x24,6cm
  • Piero della Francesca, Geburt Christi, um 1470-75, Öl auf Pappelholz, 124,4x122,6cm, National Gallery, London