Tao – aus den Religionen der Welt 27.2.2021

Gott finden in allen Dingen

Einblicke in die christliche Mystik. „Gott nicht nur als Gegenüber, sondern in mir zu sehen“, das ist der Kerngedanke christlicher Mystik. Andere sprechen von der „Erfahrung der Gegenwärtigkeit Gottes im eigenen Leben“.

Im Christentum mit all seinen Denominationen gibt es keine einheitliche Definition der Mystik, wohl aber verschiedene Interpretationen, die gemeinsame Merkmale aufweisen: Immer geht es um die Erfahrung des Göttlichen und seines Wirkens im eigenen Herzen, im eigenen Leben, um die Vereinigung, die Einswerdung mit Gott bereits auf Erden – und immer geht es um Gnade, um ein Geschenk, das man nicht selbst durch eigenes Bemühen hervorrufen, sondern nur empfangen kann.

ORF-Schwerpunkt: „Im Innersten – Mystik in den Religionen“

Dabei ist die Erfahrung Gottes, die Ergriffenheit von diesem großen Geheimnis, in der christlichen Tradition meist „erschütternd“ im wahrsten Sinn des Wortes. Und immer haben Mystiker/innen kritisch hinterfragt, ob ihre Erfahrungen, ihre Schauungen, diese Momente der Entrücktheit und Ekstase, Einbildung oder echt sind. All diese Erlebnisse und Erfahrungen sind so unterschiedlich wie die individuellen Persönlichkeiten: „Gott finden in allen Dingen“, so lautet die Maxime des Gründers des Jesuitenordens, von Ignatius von Loyola.

Tao
Samstag, 27.2.2021, 19.05 Uhr, Ö1

Und auch für Meister Eckhart, den großen einflussreichen Philosophen und Theologen des späten Mittelalters, waren Praxisbezug und Alltag entscheidend. Die mystische Gotteserfahrung war Meister Eckharts Lebensthema. Die Hinwendung zu Gott sollte zu einer Erfahrung führen, die er „Gottesgeburt in der Seele“ nannte. Gemeint ist, dass die Seele die Göttlichkeit ihrer eigenen Natur wahrnimmt und so Gott in sich selbst, im Innersten, findet. Er sprach von einem „Fünklein, das nimmer erlischt“, von der „Gottesgeburt im Bürglein der Seele“. Ähnliche Begriffe verwendete Teresa von Ávila: Sie begriff die Seele, die eigene Innerlichkeit, als Burg, um die Gottesbegegnung in deren innerste Kammer zu verlegen. Gleichzeitig soll die große Kirchenlehrerin und Mystikerin Gott zwischen den Kochtöpfen, also auch mitten im Alltag gesucht haben.

Hatte und hat christliche Mystik also weniger mit Entrückung und Verzückung als mit einer spirituellen Praxis im Alltag zu tun? Lassen sich die Lehren der bedeutenden christlichen Universalgelehrten Hildegard von Bingen also mit einfachen Schlagworten wie „Mystik in der Sauna“ ins dritte Jahrtausend übersetzen? Inwiefern hat die mystische Tradition Einfluss auf die heutige christliche Spiritualität? TAO hat bei Menschen nachgefragt, die sich auf die Spuren der christlichen Mystiker/innen begeben haben.

Gestaltung: Maria Harmer

Buchhinweise:

  • Martina Roesner, „Ich – Logos – Welt. Der egologische Ansatz der Ersten Philosophie bei Meister Eckhart und Edmund Husserl“, Verlag Karl Alber
  • Martina Roesner, "Logik des Ursprungs. Vernunft und Offenbarung bei Meister Eckhart, Verlag Karl Alber
  • Niklaus Largier (Hg.), „Meister Eckhart. Werke“, Deutscher Klassiker Verlag
  • Teresa von Avila, Ulrich Dobhan (Hg.), Elisabeth Peeters (Hg.), „Wohnungen der Inneren Burg“, Verlag Herder
  • Anselm Grün (Hg.), „Mystiker: Der innere Weg zu Gott“, Sonntagsblatt Edition 2019