Lebenskunst 21.2.2021, Mirja Kutzer

Bibelessay zu Genesis 9,8–15

Der letzte Regenbogen, an den ich mich erinnere, war am 24. Dezember. Mitten in den letzten Vorbereitungen für den Heiligen Abend hing er über der Stadt unten im Tal und hat die Umgebung in dieses eigentümliche Ineinander von Licht und Schatten getaucht.

Ein Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen, so erzählt die Geschichte von Noah, und ich habe mich daran erinnert. Eine Stunde später rief die Gemeindereferentin an und informierte uns darüber, dass die Krippenandacht nun doch abgesagt sei. Meine Tochter hätte dort ministrieren sollen. Natürlich – Corona. Die Erinnerung an den Regenbogen war noch frisch. Was, so habe ich mich gefragt, frage ich mich heute, mag der denn nun bedeuten angesichts dieser weltumspannenden Krise? Was heißt es, dass Gott einen Bund mit den Menschen geschlossen hat?

Mirja Kutzer
ist katholische Theologin und lehrt Systematische Theologie an der Universität Kassel

Hinter mir die Sintflut

Gemäß dem biblischen Text keineswegs Friede, Freude und eine dicke Portion Eierkuchen. So naiv ist die biblische Erzählung von Noah, so wunderbar-märchenhaft sie klingt, keineswegs. Sie ist Teil der sogenannten Urgeschichte, dem Erzählreigen am Anfang der Bibel, der mit der Schöpfung beginnt und auf fiktionale Weise die Ursprünge der Welt erzählt. Der Anfang der Noah-Erzählung ist dabei wie ein Paukenschlag. Sieht Gott zu Beginn der Urgeschichte noch auf die frisch geschaffene Welt herab und erkennt: „siehe, sie war sehr gut“, so tut Gott dies nun noch einmal, und kommt zu einem völlig anderen Ergebnis: „siehe, sie war verdorben; denn alle Wesen aus Fleisch auf der Erde lebten verdorben.“

Lebenskunst
Sonntag, 21.2.2021, 7.05 Uhr, Ö1

Der Rest ist bekannt. Gott überzieht die Erde mit einer großen Flut. Er rettet allein Noah, dem er aufträgt, eine Arche zu bauen. Noahs Familie und alle Tiere, die er mit auf die Arche genommen hat, überleben. Am Ende der Erzählung schließt Gott den Bund mit Noah und verspricht, dass nie mehr eine solche Flut kommen wird. Alles wieder gut? Alles wieder auf Anfang?

Nein, eben nicht. Der Bund mit Noah, für den der Regenbogen steht, erwächst aus der Krise und ihrer Überwindung. Er annulliert dabei weder, dass Schlimmes war, noch schafft er die Möglichkeit ab, dass Krisen je neu entstehen können. Mitten im Fiktionalen bleibt die Erzählung sehr realistisch, nah an der Erfahrung von Menschen. Der Bundesschluss am Ende nimmt aber eine Gewichtung vor, die der Krise nicht das letzte Wort lässt. Er steht für die Hoffnung, dass die Welt auch im Schlimmen eine gute Welt bleibt, dass am Ende Rettung steht, dass Leben möglich ist. Gleichzeitig nimmt er den Menschen in die Pflicht – das Mögliche dafür zu tun. Wenn ich das nächste Mal einen Regenbogen sehe, werde ich mich wieder an Noah erinnern und an den Bund – und werde mich zum Optimismus verführen lassen.