Mittwoch, 31.3.2021, Manfred Scheuer

Ostern und Pessach

Heutzutage steht für Christinnen und Christen außer Frage: Jesus war selbst Jude und im Judentum verwurzelt. Die Karwoche und das Osterfest sind nicht zu trennen vom jüdischen Festkreis und der Feier des Pessach.

Und doch wurde Jesus von den Christen fast über die gesamte Tradition hin nur im Gegensatz zum Judentum gesehen. Er habe es verworfen – es habe ihn verflucht und getötet. Die Christenheit aller Konfessionen vollzog diesen Gegensatz in Form einer kollektiven Beschuldigung, indem sie an den Juden aller Zeiten Rache nahm für Jesus. Dass der christliche Glaube seiner Wahrheit nach mit der Wahrheit der Herkunft Jesu etwas zu tun haben könnte, blieb außerhalb des Interesses.

Manfred Scheuer
ist katholischer Bischof der Diözese Linz

Verstrickung in Schuldzusammenhänge

In diesem Jahr erinnern wir uns an die „G‘sera“, an die Vernichtung der jüdischen Gemeinden in Österreich im Jahr 1421. – Die Jahrhunderte lang tradierten antijüdischen Stereotype in der christlichen Theologie, vor allem die Anklage des Gottesmordes, trugen zum Gefühl der Selbstgerechtigkeit der Christen bei. Sie trugen bei zu einer Mentalität, die sich vor der notwendigen Solidarität mit den ausgegrenzten und nach und nach auch dem Tod preisgegebenen jüdischen Opfern des nationalsozialistischen Regimes drückte.

Auch wenn es Christinnen und Christen gegeben hat, die unter Lebensgefahr jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger retteten, war das Bewusstsein der Glaubenssolidarität nicht grundlegend vorhanden. – Die Karwoche ist somit auch verbunden mit dem christlichen Gedenken an die eigene Verstrickung in furchtbare Schuldzusammenhänge.

Musik:

Lutz Koppetsch/Altsaxophon und Markus Bellheim/Klavier: „Andante – 3. Satz“ aus: Orchestersuite Nr. 2 op. 24 Nr. 4 aus dem Film „Niemandsland“ von Hanns Eisler, Bearbeitung für Altsaxophon und Klavier von Christoph Enzel
Label: Spektral SRL 410077