Dienstag, 15.6.2021, Luise Müller

Neue Freundschaften

Gemocht werden, genauso wie man ist – das macht das Wesen einer guten Freundschaft aus. Und um Freundschaften geht es jetzt wieder in den Morgengedanken von Luise Müller.

Mit neuen Freunden tun sich neue Welten auf. Als ich ins Gymnasium kam, ließ ich die alten Freunde, die alten Umgebungen zurück. Ich war die einzige aus meiner Volksschulklasse und die neue Schule war eine halbstündige Busfahrt von daheim entfernt.

Luise Müller
ist evangelische Theologin und ehem. Superintendentin der Diözese Salzburg und Tirol

Freunde mögen dich, wie du bist

Meine Schulfreunde lebten verstreut in Orten, die ich bisher nur dem Namen nach gekannt hatte. Einige blieben Randfiguren in meinem Leben. Mit anderen teilte ich im Laufe meiner Jugend unverzichtbare Erfahrungen, auch außerhalb der Schule. In dieser Phase war es gut, dass meine Eltern nicht alles wussten, was ich mit meinen Freunden und Freundinnen erlebte. Höhenflüge und Abstürze. Das Gute an den Freundschaften der damaligen Zeit: Irgendeine oder irgendeiner aus der Clique war immer vernünftig. Und diese Rolle wechselte. Wir hielten uns zum Glück gegenseitig.

Das Zeichen guter Freunde ist, dass sie dich auch mal einbremsen. Dann, wenn du meinst, die Welt gehört dir. Dann, wenn du meinst, vernünftige Grenzen seien für dich überflüssig. Aber auch dann, wenn du ganz unten bist, wenn du denkst, es geht nicht mehr weiter. Irgendwo habe ich gelesen: Freunde erleben dich mit verklebten Augen, ungewaschenen Haaren und sehen dahinter deine Einzigartigkeit und Schönheit. Freunde machen es so ähnlich wie Gott: Sie mögen dich so, wie du bist, trauen dir aber zu, dass du dich verändern kannst.