Lebenskunst 1.8.2021, Marco Uschmann, UNFERTIG

Bibelessay zu Matthäus 7,24-27

„Es fehlen die Worte, die deutsche Sprache hat keine Begriffe für das Ausmaß dieser Katastrophe“, hat die sichtlich erschütterte deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt, als sie nach der Flutkatastrophe vor den Schäden in Süd- und Westdeutschland stand.

In Europa, auch in Österreich, hat in den vergangenen Wochen Starkregen verheerende Fluten verursacht. Die Bilder machen fassungslos, das Wasser hat Straßen weggerissen, Häuser eingedrückt, Brücken, Bahngleise und ganze Orte weggespült. Nicht nur in Europa, auch in China. Und das Schlimmste: Hunderte Menschen haben ihr Leben lassen müssen.

Marco Uschmann
ist evangelischer Theologe und Chefredakteur der Zeitschrift „Die Saat“

Vom Hausbau

Natürlich kann den Opfern nicht vorgeworfen werden, sie seien töricht, wenn sie ihre Häuser und Ortschaften bauen, wo Überschwemmungen drohen. Seit Generationen wohnen die Menschen und ihre Vorfahren in diesen Regionen, viele haben gelernt, mit Hochwassern zu leben. Die jüngste Flutkatastrophe aber war etwas anderes. Fachleute sprechen vom Jahrhunderthochwasser. Schon wieder. Das letzte hatten wir Anfang der 2000er Jahre. Der Klimawandel lässt sich nicht mehr leugnen. Menschen müssen immer häufiger mit Starkregen rechnen. Oder mit großer und anhaltender Hitze und Dürreperioden.

Das zeigt einerseits, wie stark und mächtig Naturgewalten sein können. Und dass der Mensch sie nur sehr schwer beherrschen kann. Auch wenn er sich, wie mir scheint, hin und wieder allmächtig wähnt. Denn während einige Menschen zum Vergnügen ins Weltall brausen, gerät die Natur auf der Erde außer Kontrolle.

Lebenskunst
Sonntag, 1.8.2021, 7.05 Uhr, Ö1

Menschen helfen der Schöpfung

Und andererseits zeigt es, wie empfindlich und zart die Schöpfung ist. Und wie sorgsam die Menschen mit ihr umgehen sollten. Denn es beweist Vernunft, wenn die Schöpfung nicht hemmungslos ausgebeutet, sondern bewahrt wird. So, wie es vernünftig ist, wenn der Mensch sein Haus auf Fels baut, sodass es Platzregen und Wind standhält. Wie Jesus von Nazareth es sagt. Das wird wohl niemand bezweifeln. Es sind handfeste Ratschläge, die er seinen Jüngerinnen und Jüngern mit auf den Weg gibt – und allen Menschen, die diese Geschichte aus der Bibel hören oder lesen.

Allerdings scheint es nicht immer leicht, Hinweise, seien sie noch so klug, anzunehmen. Denn seit Jahrzehnten wissen die Menschen vom Klimawandel. Was also tun? So wie die Geschichte von Jesus es erzählt: Vernunft walten lassen und endlich richtige und angemessene Maßnahmen treffen. Dazu gehören beispielsweise veränderte Mobilität, Klimaschutzmaßnahmen bei Gebäuden und so weiter. Alles bekannt. Dazu gehören auch vermehrte Katastrophenschutzmaßnahmen, auch bekannt. Dazu gehört auch ein klarer Blick auf die Schöpfung: Sie braucht den Schutz der Menschen. Gott ist ja, indem er Mensch wurde, Teil der Schöpfung geworden. So erzählt es die Bibel. Daher schützen Menschen auch sich selbst, wenn sie die Schöpfung fördern und bewahren.

Dazu gehört, einander beizustehen und einander zu helfen. So, wie es geschehen ist, als die Flutopfer die Trümmer beiseitegeräumt haben. Natürlich sind auch Spenden geflossen. Das ist gut und wichtig. Aber viele Menschen sind in die überschwemmten Regionen gekommen und haben mit angepackt. Es herrscht viel Verzweiflung in den überfluteten Gebieten im Süden und Westen Deutschlands, in Österreich, Europa und China. Aber auch wenn einem vor Ort die Worte fehlen, so herrscht auch Hoffnung. Das zeigen die Solidarität und die viele Hilfe. Das lässt mich hoffen: Menschen stehen zusammen, verlieren nicht den Mut, sondern haben Hoffnung und helfen einander. Und helfen so der Schöpfung.