Zwischenruf 22.08.2021, Thomas Hennefeld

Spaltung der Gesellschaft gegensteuern

Ein Gespenst geht um in unserem Land, das der gespaltenen Gesellschaft. Ob es um den Umgang mit Flüchtlingen, um den Klimawandel oder um die Corona-Pandemie geht, die Meinungen dazu sind konträr, oft sehr emotional, manchmal auch hasserfüllt.

Viele Menschen bewegen sich in ihrer Blase und nehmen Meinungen und Gedanken Andersdenkender kaum wahr und wenn, dann als falsch oder idiotisch. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch verstärkt: Was soll wem erlaubt sein?

Thomas Hennefeld ist Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche

Masken als Maulkorb oder zum Schutz, Impfungen als Bedrohung oder Segen? Ich fürchte, dass sich das Klima zwischen Geimpften und Nichtgeimpften verschärfen wird, je höher die Zahl der Neuinfizierten steigt. Und zuletzt ist in Österreich eine Debatte rund um die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ausgebrochen.

Während die einen dazu aufrufen, besonders gefährdeten Personen Schutz zu gewähren, fordern andere die Abschiebung von afghanischen Asylwerbern ins Land der Taliban als wäre dort nichts geschehen.

Zur Spaltung der Gesellschaft tragen auch manche Politiker/innen und Boulevardmedien mit einschlägigen Botschaften bei. Noch haben wir in unserem Land ein hohes Maß an sozialem Frieden, aber das kann sich rasch ändern. Es gilt wachsam zu sein und der Spaltung gegenzusteuern. Dafür gibt es kein Allheilmittel aber Schritte und Maßnahmen, die sich in gewisser Weise schon in der Bibel finden, im Alten und im Neuen Testament.

Aus meiner Sicht braucht es drei Dinge: Räume der Begegnung, um gegensätzliche Meinungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Es gibt schon die unterschiedlichsten Initiativen, kirchliche und andere: Jungen und Alte, Einheimische und Zugewanderte, Plattformen, in denen sich Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern treffen können und vieles mehr. Das muss ausgebaut werden. Schon in den urchristlichen Gemeinden sind unterschiedliche Positionen aufeinandergeprallt, wie die Bibel erzählt. Aber es wurden immer wieder Kompromisse gefunden.

Das Zweite, das es braucht ist ein Ausgleich in der Gesellschaft. „Damit es zu einem Ausgleich komme“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde von Korinth, da geht es ums Geld, ganz konkret. Die einen, die Überfluss haben, sollen den Mangel bei den anderen beheben.

Sozialer Friede herrscht vor allem dort, wo die soziale Kluft und Einkommensunterschiede nicht zu groß sind, wo sich die Reichen vor den Armen nicht durch hohe Mauern schützen müssen. Da haben alle etwas davon. Und schließlich braucht es bei allem Verständnis für andere Meinungen und Haltungen Gesetze, damit die Schwachen nicht unter die Räder kommen und die Umwelt nicht komplett zerstört wird.

Das Eintreten für die Schwachen, die Schutzbedürftigen, für die Armen und Notleidenden zieht sich durch die ganze Bibel. Räume zur Begegnung, ein sozialer Ausgleich und Gesetze zum Schutz der Schwachen, das alles kann dazu beitragen, dass in einem allgemein raueren Klima soziale und politische Verwerfungen nicht über Hand nehmen. Auf diese Weise könnte der soziale Friede in unserem Land gewahrt bleiben.