Praxis – Religion und Gesellschaft 22.09.2021

Kardinal auf der Anklagebank

Causa Becciu: Betrug und Geldwäsche im Vatikan | Von 9/11 bis Afghanistan – Der Terror und seine Folgen | Äthiopien und Südsudan: Gebärden statt Worte

Causa Becciu: Betrug und Geldwäsche im Vatikan

Es ist der bisher größte Strafprozess der vatikanischen Justiz: Amtsmissbrauch, Betrug und Geldwäsche wird Kardinal Angelo Becciu vorgeworfen. Dass sich der Kardinal nun vor Gericht verantworten muss, darin sieht der Journalist und Vatikanexperte Marco Politi ein Anzeichen dafür, dass Papst Franziskus mit seiner Reform der vatikanischen Kurie ernst machen will.

Es war ein echter Paukenschlag, als vor knapp einem Jahr, am 24. September 2020, Kardinal Angelo Becciu im Rahmen eines Routinetreffens mit Papst Franziskus von diesem erfahren hat, dass er nicht länger sein Vertrauen genieße, dass er von seinen Ämtern zurücktreten müsse und dass ihm seine Kardinalsprivilegien entzogen werden.

Angelo Becciu ist nicht irgendwer im Vatikan: Der gebürtige Sarde war zu diesem Zeitpunkt Präfekt der Kongregation für die Heiligsprechungen, davor war er von 2011 bis 2018 Substitut des Staatssekretariats, de facto der drittmächtigste Mann im Vatikan, zuständig für hunderte Millionen Euro, die finanziellen Rücklagen des Staatssekretariats.

Buch: Marco Politi: „Im Auge des Sturms", Herder

Hier kommt jener riesige Finanzskandal ins Spiel, dessentwegen sich in Kürze erstmals eben auch ein Kurienkardinal vor einem vatikanischen Strafgericht als Angeklagter verantworten muss: Angelo Becciu.

Martin Gross hat mit dem Buchautor und Vatikan-Experten Marco Politi über diesen Fall und über den Kampf von Papst Franziskus gegen Korruption und finanzielle Misswirtschaft im Vatikan gesprochen.

Von 9/11 bis Afghanistan – Der Terror und seine Folgen

Die Anschläge der Al-Kaida auf das World Trade Center in New York vor 20 Jahren haben Auswirkungen bis heute. Auf 9/11 folgten dschihadistische Anschläge in Europa: unter anderem in Madrid, London, Paris, Nizza, Brüssel, Berlin und nicht zuletzt vergangenen November in Wien.

Die Reaktion des Westens auf 9/11 war der „War on Terror“ – mit den bekannten Folgen: dem Krieg im Irak und in Afghanistan. Gleichzeitig haben die USA und einige ihrer Verbündete gegen ihre eigenen Normen verstoßen, Guantanamo eingerichtet, Foltergefängnisse. Sicherheit kam nun vor Bürgerrechten, Überwachungsstaat statt Freiheitsrechte, geopferte Elemente der Rechtsstaatlichkeit – zumindest zeitweise.

Musliminnen und Muslime sahen sich plötzlich unter Generalverdacht und sind unter Rechtfertigungsdruck geraten. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Religion hier als Motor benützt wurde, um den Westen in die Knie zu zwingen.

Susanne Krischke hat mit Ebrahim Afsah vom Institut für Europarecht und internationales Recht der Universität Wien, dem Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger und dem Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker gesprochen: über die Folgen von 9/11, die die Welt und ihre Ordnung in den vergangenen 20 Jahren verändert haben.

Äthiopien und Südsudan: Gebärden statt Worte

„Werden Kinder mit einer Hörbehinderungen nicht von klein auf gefördert, entstehen Lernrückstände, die nicht mehr aufzuholen sind. Unsere Programme finden innovative Lösungen in der Krise“, sagt Rupert Roniger, internationaler Geschäftsführer von „Licht für die Welt“, einem europäischen Fachverband von Nichtregierungsorganisationen zugunsten augenkranker, blinder und anders behinderter Menschen in Entwicklungsländern.

Wegen der Corona-Pandemie sind in den vergangenen beiden Jahren auch in afrikanischen Ländern viele Schulen geschlossen geblieben, was die Inklusion von Kindern mit Behinderung noch schwieriger macht. „Mein Hauptziel ist, dass die Kinder die Gebärdensprache üben, damit sie gut vorbereitet sind, wenn die Schulen wieder öffnen“, sagt Mekdes Worku von der äthiopischen Partnerorganisation RSDA (Rehabilitation Services for the Deaf Association), die als Antwort auf geschlossene Schulen informelle Lerngruppen für taube Schüler/innen ins Leben gerufen hat.

Am 23. September wird der Welttag der Gebärdensprache begangen. Vor 70 Jahren ist dieser Aktionstag vom Weltverband der Gehörlosen ins Leben gerufen worden. In Äthiopien und dem Südsudan arbeiten lokale Hilfsorganisationen zusammen mit „Licht für die Welt" daran, die Gebärdensprache für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen.

Gestaltung: Sandra Schmidhofer und Lorenz Brunner

Moderation: Alexandra Mantler