Praxis – Religion und Gesellschaft 6.10.2021

Katholische Weltsynode – Top oder Flop?

„Synodaler Weg“ beginnt im Vatikan | Kanada: Bischöfe entschuldigen sich bei indigenen Überlebenden | Afghanistan-Experte Afsah: Sieg der Taliban über den Westen

„Synodaler Weg“ beginnt im Vatikan

Es ist eine mehr als ambitionierte Aufgabe, die Papst Franziskus innerhalb der katholischen Kirche angestoßen hat: Denn diese soll sich auf einen weltweiten synodalen Weg machen, um stärker zusammenzuwachsen. Im Jahr 2023 soll dieser Prozess mit der Weltsynode im Vatikan abgeschlossen werden.

Bis dahin sollen sich Gläubige, Laien, Ordensbrüder und -schwestern, Priester und Bischöfe in einem mehrstufigen Dialog über Gegenwart und Zukunft der Kirche austauschen. Am 9. Oktober fällt in Rom der Startschuss zu diesem synodalen Prozess, bei dem in den ersten Monaten die Kirchenbasis nach deren Wünschen, Anregungen und Vorstellungen befragt werden soll.

Was ist davon zu erwarten? Ist das der Startschuss für nachhaltige Umwälzungen in der katholischen Kirche – vergleichbar mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil – oder doch eher eine Ansammlung von endlosen Arbeitskreisen?

Katharina Wagner hat in Rom mit Kirchenvertretern, Organisatoren und Beobachtern über deren Erwartungen an diesen weltweiten Synodalen Weg der katholischen Kirche gesprochen.

Kanada: Bischöfe entschuldigen sich bei Indigenen

Die kanadische katholische Bischofskonferenz hat sich vergangene Woche bei den Überlebenden der „Residential Schools" in Kanada entschuldigt und ihnen wenige Tage später auch Entschädigungszahlungen zugesichert.

„Wir erkennen den schweren Missbrauch an, der von einigen Mitgliedern unserer katholischen Gemeinschaft begangen wurde: physisch, psychologisch, emotional, spirituell, kulturell und sexuell“, heißt es in der Erklärung.

In Kanada waren ab 1874 rund 150.000 Kinder von Indigenen und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur „Anpassung“ an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Kolonialismus und Missionierung seien dabei Hand in Hand gegangen, und die überwiegend katholischen Missionare hätten dieses System unterstützt, sagt der Schweizer Historiker Manuel Menrath.

Buchhinweis

Manuel Menrath: Unter dem Nordlicht. Indianer aus Kanada erzählen von ihrem Land. Galiani Verlag Berlin, Berlin 2020.

Viele der indigenen Kinder wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. Nach bisherigen Angaben starben mindestens 3.200 dieser Kinder, die meisten an Tuberkulose. Seit den ersten Funden Ende Mai werden immer wieder weitere Kindergräber gefunden.

Finanziert wurden die Internate für Kinder indigener Familien zwar staatlich, geführt hat die Schulen aber überwiegend die katholische Kirche. Erst 1996 wurde die letzte „Residential School“ geschlossen.

Historiker Manuel Menrath spricht von einem Ethnozid, der bis heute seinen Schatten wirft. Warum ist es wichtig die toten Kinder zu den Reservaten zurückzubringen? Und welche Bedeutung hätte eine Entschuldigung von Papst Franziskus für die Indigenen Völker?

Gestaltung: Lena Göbl

Afghanistan-Experte: Sieg der Taliban über den Westen

In Afghanistan sind die Taliban wieder an der Macht. Sie haben das islamische Emirat Afghanistan errichtet. Amnesty International berichtet von Kriegsverbrechen und Hinrichtungen, Frauenrechte sind ganz offenkundig bereits stark eingeschränkt worden.

In der neuen Regierung sitzen vor allem Paschtunen, einige von ihnen werden von den USA als Terroristen eingestuft. Der Westen sei mit seinem Einsatz in Afghanistan auf ganzer Linie gescheitert, stellt Afghanistan-Experte Ebrahim Afsah fest, militärisch, sozial, aber auch intellektuell. Denn es sei nicht gelungen, „eine Vision zu etablieren, die gegenüber der Vision des politischen Islams konkurrenzfähig gewesen wäre“. Ebrahim Afsah lehrt heute am Institut für Europarecht, internationales Recht und Rechtsvergleiche der Universität Wien.

Er ist unter anderem auf Völkerrecht, Rechts- und Verwaltungsreform in Räumen fragiler Staatlichkeit und islamisches Recht spezialisiert und hat ab 2003 zehn Jahre lang in Afghanistan gelebt und gearbeitet.

Ebrahim Afsah, selbst in Teheran geboren und in Deutschland aufgewachsen, spricht unter anderem Persisch und er hat am Aufbau des Staates, der Verwaltung und der Justiz in Afghanistan mitgearbeitet, damals im Auftrag des deutschen Auswärtigen Amts für das Max-Planck-Institut. Das Ausbildungsprojekt, das er konzipiert hat, gilt als standardsetzend.

Susanne Krischke hat mit Ebrahim Afsah über das Ende des internationalen Einsatzes, den Einfluss der Religion auf Politik und Gesellschaft und über die Terrorgefahr, die von Afghanistan ausgehen könnte, gesprochen.

Moderation: Alexandra Mantler