Lebenskunst 14.11.2021, Elisabeth Birnbaum

Wider die Gleichgültigkeit – Bibelessay zu Dan 12,1–3

Zugegeben, Texte wie der heutige lösen in mir immer wieder ambivalente Gefühle aus. Es sind wuchtige Texte, gleichzeitig sind sie nicht gerade das, was man feinsinnig oder zartfühlend nennt. Es wird sehr genau unterschieden zwischen Gut und Böse, und den Bösen wird nicht gerade behutsam die ewige Verdammnis angekündigt.

Andererseits gefällt mir, wie direkt und unverblümt die Dinge beim Namen genannt werden. Und diese klare Sprache, die zur Stellungnahme herausfordert, empfinde ich in der aktuellen Situation als wohltuend und wichtig.

Der Text ist einer der jüngsten Texte des Alten oder auch Ersten Testaments, vermutlich aus dem 2. Jahrhundert vor Christus, und spricht in eine Zeit, wo den Gläubigen langsam die Geduld und die Kraft ausging. Zu sehr wurden sie von hellenistischen Machthabern bedrängt und verfolgt. Zu lange dauerten schon die schwierigen Zeiten, zu unerträglich erschienen sie mittlerweile.

Elisabeth Birnbaum

ist Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks.

Resignation und Hoffnungslosigkeit drohte überhandzunehmen. In dieser Situation setzt der Text eine deutliche Zäsur und stellt klar, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss und wird, dass alles ganz anders wird. Weil es so wie bisher einfach nicht mehr weitergehen kann. Und dass dann endlich, endlich denjenigen Gerechtigkeit und Ruhe verschafft wird, die nun schon so lange leiden.

Den scharfen Kontrast zwischen dem Schicksal der Guten und dem Schicksal der anderen, ewiges Leben und ewige Schmach, sehe ich auch in diesem Zusammenhang. Gerade für Menschen, die sich unermüdlich und scheinbar erfolglos für das Gute einsetzen, oder für Menschen, die an einer unverschuldeten Situation leiden und kein Ende sehen, ist es wichtig zu wissen, dass es trotz allem nicht gleichgültig ist, wie sie sich verhalten. Dass es einen Unterschied macht. Dass sie nicht übersehen werden, sondern irgendwann gewürdigt, wertgeschätzt werden dafür.

Buchhinweis

Elisabeth Birnbaum, „Crashkurs Altes Testament“, Wiener Dom Verlag 2021.

Ich lese diesen Text heute mit anderen Augen als vielleicht noch vor ein paar Jahren. Er ist für mich aktueller denn je. Denn: Ob mit Blick auf die kräftezehrende Pandemie oder mit Blick auf die drohende Klimakatastrophe.

Ich lese den Text als Zuspruch, der guttun kann, weil er zu etwas ermutigt, das derzeit bitter nötig ist. Zu Ausdauer, obwohl alles sinnlos erscheint. Zur Zuversicht, dass alles einmal grundsätzlich anders wird. Und zur Gewissheit, dass es auf mich selbst ankommt. Dass ich mich jetzt, heute, für das Richtige entscheiden muss. Und dass meine Bemühungen, auch wenn ich sie als unscheinbar und unbelohnt wahrnehme, letztlich nicht gleichgültig sind.